Fuer immer und ledig - Roman
unserer Mutter bekommen hatte.«
»Und die hast du dir nicht durchgelesen?«
»Nein. Ich muss so was immer erst vor mir sehen.«
»Aber jetzt hast du eine neue Liste?«
Sie nickte. »Das Problem ist nur, dass nichts von meiner Liste in diesem Geschäft zu finden sein wird.«
Ich stöhnte. Wieder etwas, das ich für sie regeln
musste. So wie beim Friseur mit den Hochsteckfrisuren, die ihr alle nicht gefielen, bis ich eingriff und vorschlug, ihr einfach ein paar Locken reinzudrehen. So wie beim Konditor, wo sie sich nicht auf eine Torte festlegen konnte.
»Weißt du, ich dachte, du kümmerst dich viel mehr um alles. Aber irgendwie hängst du nur hier rum«, jammerte sie.
Jetzt verstand ich: Sie kontrollierte mich. Also warf ich sie raus und instruierte Mutter, sie nicht mehr aus den Augen respektive in meine Nähe zu lassen, bis ich es erlaubte.
Am Dienstagabend kamen wieder Blumen. Rupert brachte sie, und diesmal sah er sehr feierlich aus. »Schätzchen, ich habe mit einigen meiner Künstler gesprochen, und der eine oder die andere hat mir zugesagt, dass sie dich unterstützen werden.«
Ich fiel fast um vor Freude. Rupert hatte einige sehr bekannte Namen aus der Klassikszene unter Vertrag. Charles Bonham, zum Beispiel, einen Tenor, der ständig mit seinen »Best of …«-irgendwas-Alben in den Charts war. Ein Streicherquartett, das in Kritikerkreisen höchste Zustimmung fand. Eine Starviolinistin, die weltweit für volle Konzertsäle sorgte.
»Wer ist es?«, fragte ich atemlos.
»Meine drei besten. Bonham, die Streicher und die Violine.«
Ich weinte fast vor Glück. Endlich hatten wir die Highlights, die wir brauchten. Die echten Highlights,
die ganz großen Namen. Nicht nur die »Unterstützung der Staatsoper«, wie es die Presse sonst vielleicht nennen würde, wenn nur Jörg hier auftauchte, sondern viel, viel mehr. Ich umarmte ihn.
»Kann ich mit ihnen sprechen? Das Programm abstimmen? Ich will, dass sie sich wohlfühlen. Ich muss …«, sprudelte es aus mir raus.
»Moment, es gibt eine Bedingung. Du musst auch spielen.« Daher also das feierliche Gesicht.
»Ich spiele ja. Ich begleite Jörg. Also den Jörg. Wir machen Hugo Wolf.«
Rupert schüttelte den Kopf. »Solo. Mindestens fünfzehn Minuten. Sonst zieh ich alle wieder ab. Und ja, das ist Erpressung. Ach so, die Blumen gebe ich dir auch nicht, wenn du Nein sagst. Es ist wieder eine Karte dabei.«
»Ich weiß doch, von wem sie sind«, pokerte ich.
»Weißt du’s wirklich?«, versuchte er mich zu verunsichern.
Ich blieb stark. »Vergiss es.«
»Ich ziehe alle meine Schäfchen wieder ab«, sagte er in einem Ton, der mir klarmachte, dass er nicht scherzte. Ich musste mich setzen.
»Rupert, bitte nicht …«
»Doch.«
»Du weißt, dass ich nicht so gerne solo spiele«, sagte ich leise.
»Und ich habe keine Ahnung, warum du das nicht willst. Du spielst besser als die Jahrgangsbesten vor und
nach dir. Du bist eines der größten Talente, die ich in den langen Jahren meiner Agententätigkeit gehört habe. Und was machst du? Nichts. Klimpern. Was soll das?«
»Rupert, wir haben doch schon so oft …«
»Und ich habe nie eine vernünftige Antwort bekommen.«
»Ich will das nicht …«, sagte ich schwach.
Rupert klemmte sich den Blumenstrauß unter den Arm und ging zur Tür. »Dann sag ich jetzt allen ab«, sagte er schlicht. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Ist das wirklich dein Ernst? Es geht hier um ein bisschen mehr als deine Eitelkeit!«, rief ich wütend.
Er blieb stehen. »Meine Eitelkeit, ja? Wohl eher deine Feigheit. Dann zeig uns, wie viel dir das alles wert ist. Zeig es deinen Freunden! Ich glaube nämlich, dass diese ganze Aktion hier wieder nur so eine von deinen Ideen ist, hinter denen du dich versteckst. Und bis ich nicht weiß, wovor du eigentlich wegrennst, werde ich den Teufel tun und deine Ausweichmanöver unterstützen. Ich renne dir seit Jahren hinterher, und du solltest längst wissen, dass ich das nicht nötig habe. Meine Agentur ist zum Bersten voll mit erfolgreichen Musikern. Ich glaube nun mal an dich. Und deshalb kann ich nicht zulassen, dass du dich versteckst. Du hast bis morgen früh Zeit.«
Er knallte die Tür hinter sich zu, und ich fühlte mich so elend, dass ich es nicht fertigbrachte, ihm nachzurennen. Ich war bereit, alles sausen zu lassen, nur um nicht solo vor Publikum zu spielen. Ich war bereit, alle dort
draußen hängen zu lassen, auflaufen zu lassen, mit einem Sparflammenprogramm abzuspeisen,
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