Für immer untot
aussehenden PEZ-Dispenser. Ihre ganze Aufmerksamkeit schien darauf gerichtet zu sein, aber die Tür hinter ihr blieb trotzdem hartnäckig offen. Die Eltern hatten ihre peinliche Tochter in einem kleinen Zimmer ohne Fenster eingesperrt, bis sie herausfand, dass sich Schlösser gern für sie öffneten. Inzwischen war eine Angewohnheit daraus geworden. Wodurch es zu einer Herausforderung werden konnte, von einem Ort im Kasino zu einem anderen zu gelangen: Lifttüren wollten sich einfach nicht schließen, solange dieses Mädchen zugegen war.
Ich beobachtete es eine Zeit lang, und schließlich wurde mir klar, was mich schon seit einer ganzen Weile beschäftigte. Diese Kinder waren zu jung. Das durchschnittliche Alter lag bei sieben bis acht Jahren, und einige waren nicht älter als vier oder fünf. Was keinen Sinn ergab.
Mit vierzehn hatte ich in Tamis Haufen zu den Jüngsten gezählt. Die meisten waren fünfzehn, sechzehn und älter gewesen, alt genug, um zu erkennen, wie das Leben in einer der besonderen Schulen für sie gewesen wäre – deshalb hatten sie sich aus dem Staub gemacht. Sicher, gelegentlich hatte es auch jüngere Kinder bei uns gegeben, aber meistens in Begleitung älterer Geschwister oder von Freunden. Ich hatte bei Tami nie so viele kleine Kinder gesehen. Wie waren sie entkommen? Wie hatten sie auf den Straßen überlebt, bis Tami auf sie gestoßen war? Mir war es damals schwer genug gefallen, obwohl ich größer gewesen war und mehr Geld gehabt hatte.
»Ich bin erst mit vier zum Hof gekommen«, erinnerte ich Rafe geistesabwesend.
Ein kleines Auto vom Monopoly-Spiel rollte über den Tisch und stieß an meine Hand. Ich drehte es und schickte es zum Spiel zurück, wo es mit einem lebhaft hüpfenden Schuh kollidierte. Offenbar hatte jemand das Monopoly für die Kinder verzaubert.
»Vorher hat dich dein Vater ab und zu als bambina mitgebracht«, sagte Rafe und gab es auf, die klebrige Kleine säubern zu wollen. Er hielt sie wieder mit einem Arm an seiner Brust und stützte ihren Kopf mit der anderen Hand.
»Was?«
»Er zeigte dich gern herum. Natürlich hast du dich besser benommen als manche anderen Kinder.« Rafe seufzte, als das Baby seine Krawatte in den Mund nahm.
»Davon hatte ich keine Ahnung.« Ich wusste so wenig von meinen Eltern, und dieser kleine Hinweis erschien mir wie eine Offenbarung. In meiner Vorstellung bedeutete »Mutter« eine kühle Hand, weiches Haar und einen angenehmen Duft. Das waren meine stärksten Erinnerungen an sie. Und auch meine einzigen, wenn ich nicht angestrengt überlegte. An meinen Vater erinnerte ich mich noch weniger.
»Piccolina mia, bitte hör auf«, sagte Rafe verzweifelt, zog die Krawatte weg und ersetzte sie schnell durch einen Schnuller, bevor sein zappelnder Gast losschreien konnte. Das kurze Gerangel schien die Kleine erschöpft zu haben, denn wenig später legte sie den Kopf an Rafes Brust und schlief ein. »Die Besuche hörten auf, als du etwa zwei warst«, fügte er hinzu.
»Weißt du, warum?«
Rafe wollte mit den Schultern zucken, begriff dann aber, dass er damit vielleicht seine kleine Freundin geweckt hätte. »Ich vermute, du hast damals erste Anzeichen deiner Gabe gezeigt. Deinem Vater muss klar geworden sein, dass Tony dich genommen hätte, wenn er darauf aufmerksam geworden wäre.«
Und das war er, nur zwei Jahre später. »Wie hat er es herausgefunden?« Es war mir immer ein Rätsel gewesen, wie Tony erfahren hatte, dass mein Erwerb sich lohnte. Wie abscheulich war die Vorstellung, dass ihm etwas, das ich selbst getan hatte, einen Hinweis gegeben haben konnte!
»Tony traute niemandem, nicht einmal seinen langjährigen Dienern«, versicherte mir Rafe. »Es gab Leute, die deinen Vater überwachten, und vermutlich wurden sie ihrerseits überwacht. Die Einzigen, die Antonio nicht im Auge behalten ließ, waren jene, die durch das Blut an ihn gebunden waren. Er wusste, dass sie nicht in der Lage gewesen wären, sich gegen ihn zu wenden.«
Bei den letzten Worten hörte ich eine für ihn untypische Bitterkeit.
»Kannst du mir… etwas über sie erzählen? Über meine Eltern?« Es geschah nicht zum ersten Mal, dass ich mich mit dieser Bitte an ihn wandte, aber bisher hatte Rafe nie darauf eingehen können. Ihm war befohlen gewesen, darüber zu schweigen – eine starke Anweisung, der er sich nicht widersetzen konnte.
Rafe richtete einen Blick voller Anteilnahme auf mich. »Es tut mir leid, Cassie.«
»Ich dachte nur, da Tony nicht mehr da
Weitere Kostenlose Bücher