Für immer untot
bewacht wurde, wenn es sich wieder öffnete. Hier kamen wir nicht weiter.
»Verdammt!« Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, mit solcher Wucht, dass Kaffee aus der Tasse schwappte. Mit den Resten der Serviette wischte ich ihn auf, und dabei winkte mir plötzlich einer der Notizzettel zu, die sich in meiner geistigen Ablage angesammelt hatten. »Tony hat hier irgendwo ein illegales Portal«, sagte ich langsam. »Er benutzte es für den Schmuggel. Ich weiß nur nicht, wo es ist.«
Rafe ergriff meine Hände, und zum ersten Mal erschien Hoffnung in seinen Augen. »Wie lässt es sich lokalisieren?«
»Keine Ahnung. Aber ich weiß, wen wir fragen können.«
»Du benötigst das Portal erst, wenn du das Buch hast. Vorher brauchst du gar nicht erst im Feenland aufzutauchen«, sagte die Fee und plusterte ihre dichte rote Mähne auf. Sie hatte irgendwo eine Puderdose gefunden, vermutlich im Abfall, denn sie enthielt kaum mehr Puder. Radella benutzte das Ding als Spiegel auf dem Frisiertisch, den sie sich aus einigen CD-Hüllen gebaut hatte.
»Und mit dem Codex bist du noch nicht viel weitergekommen.«
»Du möchtest bestimmt irgendwann nach Hause«, erwiderte ich. »Oder hast du vor, für immer bei uns zu bleiben?«
Ich sah mich in ihrem improvisierten Apartment um. Aus Radellas Perspektive gesehen war es recht geräumig – es erstreckte sich über mehrere Regale im Schrank von Pritkins Arbeitszimmer. Das oberste Regal diente offenbar als Ankleidebereich, und das Schlafzimmer befand sich ganz unten, mit einem Baseballhandschuh als Schlafsack und daneben einer kleinen Taschenlampe.
Die Fee warf mir einen bösen Blick zu. »Ja, ich weiß die Gastfreundschaft deiner Welt sehr zu schätzen.«
»Als ich deine besuchte, kostete es mich fast das Leben!«
»Und ich bin in einem Aktenschrank eingesperrt worden«, fauchte Radella.
»Immer noch besser als ein Verlies!«
»Bist du dir da so sicher?«
Ich hatte den Aktenschrank gesehen – eine Bombe schien darin explodiert zu sein. »Offenbar ist es dir nicht weiter schwergefallen, ihn zu verlassen.«
»Nur weil er aus leichtem Metall und nicht aus Eisen bestand.« Radella schauderte. »Ich hätte sterben können, meiner Magie beraubt, der Körper ein hilfloses Opfer erbarmungsloser Kälte… «
»Ja, aber du bist nicht gestorben. Könnten wir jetzt bitte zum Thema zurückkommen?«
Zornig blitzende lavendelblaue Augen sahen mich an. »Zum Thema gehört, dass die Sklavin Françoise in die Dienste des Königs zurückkehren muss und du ihm wie versprochen das Buch bringst.« Radella lächelte böse. »Du möchtest nicht ohne den Codex ins Feenland zurück, glaub es mir. Der König ist nicht unbedingt dafür bekannt, dass er gern verzeiht.«
»Und wenn der Zorn des Königs so schrecklich ist… Warum hast du uns dann bei der Flucht vor ihm geholfen? Hattest du keine Angst vor den möglichen Konsequenzen?«
Die Fee schlug nervös mit ihren Flügeln. »Das war etwas anderes.«
»Wieso?«
»Der Magier hat mir etwas angeboten, dem ich nicht widerstehen konnte.«
Radellas Stirn glättete sich, und ein weiches Licht erschien in ihren Augen.
»Niemand hätte mir vorwerfen können, darauf eingegangen zu sein, nicht einmal der König.«
»Was hat dir Pritkin angeboten?«
»Es spielt keine Rolle! Ich warte immer noch darauf!« Radella trat gegen die CD-Hüllen, setzte sich dann auf die große Garnrolle, die sie in eine Art Sessel verwandelt hatte, und rieb sich heimlich den schmerzenden Fuß.
Plötzlich stieg eine Erinnerung in mir auf. »Der Runenstein. Jera.« Ich war nur deshalb in der Lage gewesen, meinen ersten und bisher einzigen Ausflug ins Feenland zu überleben, weil ich mir einige Kampfrunen vom Senat beschafft hatte. Die Konsulin wollte sie bestimmt zurück, weil sie ihr im Krieg nützlich sein konnten, und weil ich so vergesslich gewesen war, um Erlaubnis zu fragen, bevor ich sie genommen hatte. Doch ich glaubte, dass sie Mircea im Moment noch mehr wollte. Und was konnte sie mit einem Runenstein anfangen, dessen einzige Macht darin bestand, Leute fruchtbarer zu machen?
Die Fee sah vorwurfsvoll auf. »Er sagte, er hätte ihn. Er hat ihn mir sogar gezeigt, und er sah echt aus.«
»Er ist echt.« Mir ging ein Licht auf. »Nur für die Möglichkeit, ein Kind zu bekommen, warst du bereit, den Zorn des Königs zu riskieren?«
»Nur?« Radellas dünne Stimme schwoll zu einem Quieken an. »Klar, dass ein Mensch es so sieht! Mein Volk ist dem Aussterben nahe,
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