Fuer Wunder ist es nie zu spaet
reden. Du
siehst immer nur alles, was du nicht hast, und an dem,
was du hast, gehst du wie blind vorbei.«
Maja reißt sich die Decke runter, kniet sich aufs Bett und beugt
sich zu Pelle vor.
»Blind? Ich sehe ganz klar! Ich sehe, wie charmant du bist und offen
gegenüber allem und jedem, aber wenn es um Sex geht, machst du total dicht! Das
geht jetzt schon fast ein Jahr so. Es fühlt sich an, als gäbe es gar keine Nähe
zwischen uns. Wenn du das mal zugeben würdest, wäre alles viel einfacher, dann
könnten wir einander helfen, aber jetzt fuchtelst du einfach nur mit den Armen
herum und versuchst, dich rauszureden.«
»Maja. Ich kann das jetzt nicht. Ich will nicht.«
»Ja, drück dich nur. Tu das. Schlaf gut. Wo du doch so müde bist.«
»Schlaf gut.«
Pelle dreht sich mit einem gekränkten Grunzen um. Maja versucht,
eine Weile lang ruhig zu atmen, dann streckt sie die Beine aus und rutscht
wieder unter die Decke. Die Arme verschränkt, die Fingerspitzen fest in die
Haut gegraben. Steif wie ein Stock liegt sie da. Starrt durch das Schlafzimmerfenster
in die helle Sommernacht hinaus.
Das Zimmer ist in Rosa und Mintgrün gehalten, sogar die
Fenstersprossen sind rosa gestrichen. Als Eva de la Mårdlind das Zimmer vor
dreihundert Jahren einrichten ließ, hatte sie ein japanisches Liebesnest im
Sinn. Über allen drei Doppeltüren sind Abbildungen von sich liebenden Paaren in
gewagten Stellungen. Zärtlichkeiten, Küsse, erigierte Geschlechtsteile, Brüste,
die liebkost werden, und Geschlechter, die nicht genug bekommen können.
Schlichtweg Porno. Und dann all diese rosa und grünen Farben, die im Raum wiederaufgenommen
wurden. Friedlich, romantisch, spannend, erotisch. Genau deshalb hat Maja
dieses Zimmer zum Schlafzimmer auserkoren: um darin zu lieben. Aber die Leidenschaft
tobt nur auf den Wänden, im Bett ist es kalt. So verdammt kalt.
Maja versucht, ruhig zu atmen. Ein, aus, ein, aus. Sie blickt
verstohlen zu Pelle hinüber, der auf der anderen Seite des Bettes liegt und
ruhig zu atmen versucht. Eigentlich will sie ihn berühren, ihre Hand
ausstrecken und ihm übers Haar streichen. Seine großzügige Art, die ausladenden
Gesten, die laute Stimme. Sie liebt das alles. Auch. Aber . . . Sie hasst es
auch. Maja denkt an den Zettel, den sie in die glänzende kleine rote Schachtel
unter dem Bett getan hat.
1. Die
Lust am Schaffen wiederfinden
2. Vielleicht
auch ein bisschen Geld damit verdienen
3. Mehr
spielen
4. Spüren,
dass ich mein Leben lebe
5. Scheiß drauf
Im Moment riecht das Leben ein wenig nach Nummer fünf.
Wo sind nur die anderen vier geblieben?
15
M aja holt alle Schwimmbretter und
Schwimmgürtel aus einem der kleinen Badehäuschen des Schlosses. Eigentlich sind
es keine Badehäuschen, sondern eher kleine rosa verputzte Märchenhäuschen
voller Krimskrams aus verschiedenen Jahrhunderten. Die Schwimmhilfen hatte sie
oberhalb eines zusammenklappbaren Tanzbodens verstaut. Vielleicht sollte sie
den Tanzboden zum Abschluss des Schwimmkurses mal aus der Mottenkiste holen?
Immerhin würde es aufgehen, und sie wären zwei Tanzpaare, allerdings mit völlig
unpassenden Persönlichkeiten. Ach nein, der Tanzboden kann ruhig noch ein paar
Jahrhunderte weiterschlummern.
Die Sonne knallt wie immer brutal vom Himmel. Maja schlendert im
Bikini mit den Schwimmhilfen im Arm zum Schloss. Sie ist müde. Niemand hat
heute Nacht richtig geschlafen. Sie nicht. Pelle nicht. Sie haben nur Seite an
Seite dagelegen und so getan, als würden sie schwer atmen und tief schlafen.
Gegen drei Uhr hat Maja das So-tun-als-ob aufgegeben und ist im Schloss
herumgegeistert, um zur Ruhe zu kommen. Aus Alexanders Zimmer waren die Geräusche
einer testosterongeschwängerten Verfolgungsjagd zu vernehmen, in Karins
Schlafzimmer piepten Handys, während die Dielen vom Auf- und Ablaufen knarrten.
Und vom Garten aus sah Maja, dass Jens am Fenster saß. Er hatte die beiden
Flügel geöffnet und schaute schweigend aufs Wasser.
Das ganze Schloss war wach. Nirgends herrschte Ruhe, außer in
Josefins Zimmer, wo es still und friedlich war.
Maja legt die Schwimmhilfen am Pool ab und testet mit einer Zehe das
Wasser. Lauwarm, dank tropischer Nächte und Hitzewelle. Der Pool hat
Körpertemperatur.
Von der Vorderseite des Schlosses hört man die Gäste frühstücken.
Besteck und klapperndes Geschirr, hungrige Münder, die frische Brötchen
genießen, mit selbst gemachter Himbeer- und Pfirsichmarmelade, Walderdbeeren
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