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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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mich an ein Foto von Kriegsflüchtlingen in einer vergilbten Ausgabe des National Geographic Magazines .
    Es war etwa sechs Stunden her, seit ich auf dem Friedhof nach Jack gesucht, ihn aber nicht gefunden hatte. Doch jetzt war er da und stand, einen Haufen Pflöcke zu seinen Füßen, den Blick gen Himmel gerichtet, auf dem Dach der Gruft der Glenships. Als River seinen Namen rief, sah er zu uns hinunter, rührte sich aber nicht von der Stelle.
    »Kannst du bitte runterkommen, Jack?«, bat River ihn. »Ich würde gern mit dir reden.«
    Jack deutete auf einen der Jungen. »Ich verlasse meinen Posten, Danny. Du übernimmst die Wache.«
    Er griff nach einer dicken Efeuranke und rutschte daran herunter. Anschließend kletterte der blonde Junge namens Danny hinauf, nahm Jacks Platz ein und behielt wachsam den Himmel im Auge.
    Jack rieb sich übers Gesicht und schaute sich um. Er sah blass und müde aus. In seinen wirr abstehenden kupferroten Haaren hatten sich ein paar trockene Blätter verfangen, als hätte er sich auf der Erde gewälzt. Sein sommersprossiges Gesicht war dreckverschmiert und er ließ erschöpft die Schultern hängen.
    »Nick«, richtete Jack das Wort an einen kleinen Jungen mit dunkelbraunen Haaren, »du löst Jenny in der südwestlichen Ecke ab, und du, Logan, siehst nach Holly, in Ordnung? Sie bekommt Angst, wenn sie zu lange allein ist.«
    Die beiden Jungs liefen los, während Jack sich wieder das Gesicht rieb. »Hey«, sagte er zu uns.
    Ich nickte zur Begrüßung nur, weil meine Aufmerksamkeit von einem kleinen Haufen von Pflöcken in Anspruch genommen wurde, die vor der Gruft aufgetürmt waren. Es waren Dutzende. Vielleicht sogar Hunderte.
    Jack wandte sich an River. »Du bist doch der Kerl, den wir fast gepfählt hätten, oder?«
    »Ja.«
    »Und der, der uns die Jojo-Tricks gezeigt und zu uns gesagt hat, dass wir auf den Friedhof gehen und nach dem Teufel suchen sollen.«
    Ich hob erstaunt den Kopf und schaute erst Jack und dann River an. Aber die beiden achteten nicht auf mich.
    »Was willst du hier?«, fragte Jack erschöpft. »Willst du uns nach Hause schicken? Das kannst du vergessen. Die Polizei hat auch schon versucht, uns zu vertreiben, aber wir sind trotzdem zurückgekommen.«
    River beugte sich vor und stemmte die Hände auf die Knie, sodass er mit Jack auf Augenhöhe war. »Kennst du das alte Baumhaus, Jack? Das hinter der Villa der Glenships?«
    Jack runzelte die Stirn. »Klar. Das kennt doch jeder. Warum?«
    »Geh dorthin, Jack. Und nimm Charlie mit.«
    Die beiden starrten sich drei, vier Sekunden lang in die Augen. Dann ging ein Ruck durch Jack und er wirbelte herum.
    »Sagt allen, sie sollen nach Hause gehen«, rief er den Jungs hinter sich zu. »Sagt ihnen, dass ich weiß, wo Isobel ist. Sagt ihnen … sagt ihnen: Es gibt keinen Teufel .«

Elftes Kapitel
    Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Kindern. River und ich beobachteten, wie kleine Körper sich behände aus den Bäumen fallen ließen, aus den Schatten lösten und zwischen den Grabsteinen hindurch zum Ausgang flitzten.
    Fünfzehn Minuten später war nur noch ein einziger Junge auf dem Friedhof. Er hatte weizenblonde Haare und dünne Arme, stand am Tor, sah immer wieder zum Himmel und zu den Bäumen auf und schien sich unschlüssig darüber zu sein, ob er bleiben oder gehen sollte. Schließlich fasste River ihn an den Schultern und schob ihn sanft auf die Straße hinaus.
    Der Nebel hatte sich mittlerweile gelichtet, sodass ich tief unter dem Friedhof das Meer sehen konnte, das blau und verheißungsvoll leuchtete. Eine Weile lang starrten River und ich schweigend hinunter.
    Ich fragte mich, woher er gewusst hatte, wo Charlies Schwester steckte. Und wieso Jack sofort bereit gewesen war, ihm zu glauben.
    Was hatte Jack gemeint, als er gesagt hatte, River hätte ihm aufgetragen, auf dem Friedhof nach dem Teufel zu suchen?
    Und was war aus dem schmetterlingszarten, flatternden Gefühl geworden, das ich in Rivers Gegenwart empfunden hatte?
    Es war nämlich verschwunden.
    River griff nach meiner Hand und zog mich vom Friedhof auf einen Waldpfad, der entlang der Hauptstraße verlief. Es war dunkel und still dort, die Morgendämmerung hatte es noch nicht durch die dichten Baumkronen geschafft, und immer wieder tauchten in einiger Entfernung auf dem Weg vor uns Kinder aus den Schatten auf.
    Nach ein paar Minuten hatten wir den kleinen Park im Stadtzentrum erreicht. Ich wollte zum Café gehen, das immer schon kurz

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