Fuerstin der Bettler
zischte: »Wenn Ihr nicht sofort den Schnabel haltet, werde ich mit dem Messer dafür sorgen, dass ihr aus ganz anderen Löchern pfeift!«
Der Nuntius hatte offenbar verstanden, denn er verstummte augenblicklich.
Endlich konnte Hannah sich dem Mädchen zuwenden.
»Wie heißt du?«
Das Mädchen sah sie stumm an. Sie hatte ihr Kleid mittlerweile wieder über die Schultern gezogen. Die Kleine hatte ein ausgesprochen hübsches Gesicht und war bereits weit entwickelt. Dennoch blickte sie Hannah aus Kinderaugen an, in denen jetzt eine maßlose Furcht stand. Der Blick des Mädchens ruckte ständig zwischen ihr, dem Messer und dem Mönch hin und her, als würde sie das alles nicht zusammenbringen können.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Wir tun dir nichts. Sagst du uns deinen Namen?«
»Gallina«, sagte das Mädchen flüsternd. »Der Weißfuchs wird euch finden.«
Bruder Adilbert war gerade dabei, das Seidenhemd des Nuntius zu zerreißen, um einen Mundknebel daraus zu machen. Er hielt inne. »Weißfuchs? Du meinst den Weißgesichtigen?«
Das Mädchen nickte und blickte zur Tür, als müsse er jeden Augenblick dort auftauchen.
»Der Weißfuchs. Er weiß alles. Er weiß, dass ihr hier seid.«
Erschrocken zuckte Hannah mit dem Messer, was beim Nuntius ein Quieken auslöste. Der kniete noch immer am Boden.
Bruder Adilbert stopfte ihm schnell den zusammengeknüllten Stoff in den Mund und band ihn mit einem Streifen Seide um den Kopf fest. Dann griff er nach einer Kordel, die am Bett befestigt war, vermutlich um Liebesspiele mit Fesseln zu veranstalten, und band ihm die Hände auf den Rücken. Erst jetzt durfte der Nuntius aufstehen, was ihm nur mit Mühe und mit Unterstützung durch Bruder Adilbert gelang.
Die Augen des Nuntius weiteten sich, als er den Mönch in dem Aufzug als Musikantin sah. Er versuchte etwas zu sagen, doch mit seinem Mundknebel brachte er nur unverständliche Laute hervor.
Hannah stieß den gefesselten Geistlichen so auf die Pritsche, dass er bäuchlings darauf zu liegen kam. Dann beugte sie sich zu ihm hinunter.
»Ich empfehle Euch, so liegen zu bleiben und Euch nicht zu rühren. Wenn der Weißfuchs Euch entdeckt, glaube ich nicht, dass er Euch befreien wird. Sein Herr kann sich solche Zwischenfälle nicht leisten. Er wird Euch also vermutlich töten und beiseiteschaffen. Oder habt Ihr dem Bischof erzählt, wohin Ihr gegangen seid?«
Dem Mann lief der Angstschweiß über das speckige Genick und über das Kinn. Verzagt schüttelte er den Kopf.
Mit einem Ruck wandte sie sich an Gallina.
»Hat er dir etwas getan?
Der Nuntius hinter ihr brummte und stöhnte.
Gallina schüttelte den Kopf.
»Dann komm!«, sagte Hannah und zog das Mädchen aus dem Zimmer.
Sie schickte den Mönch zuerst hinaus, schob dann Gallina hinter ihm her und folgte als Letzte. Sie achtete darauf, dass der Teppich wieder glatt herunterhing, schlüpfte hinaus, schob die Tür zu, machte mit dem Messer eine Kerbe in den Türrahmen, damit sie das Zimmer wiederfinden konnten, und erst jetzt wandte sie sich dem Mädchen zu, das zwischen Adilbert und ihr im Gang stand.
»Sind noch mehr Mädchen da?«, fragte sie. »Mehr Kinder?«
Gallina zögerte. Hannah sah die flackernde Angst in den Augen der Kleinen, die den Blick auf das Messer geheftet hatte, das Hannah noch immer in der Hand hielt.
»Tut mir leid«, flüsterte Hannah. »Das stecke ich wieder weg. Du hast wirklich nichts zu befürchten, Kindchen.« Dann stockte Hannah – und stellte ihre Frage erneut.
Schließlich nickte Gallina völlig eingeschüchtert und mithochgezogenen Schultern, als wolle sie sich dahinter verstecken. »Sieben Mädchen. Drei Jungen.«
»Zehn Kinder«, wiederholte Hannah.
»Und ein Tier. Ein schwarzer Teufel. Er schreit und tobt.«
Hannah dachte an den Teufel, den sie selbst gesehen hatte. »Er hängt an einer Kette. Nicht wahr?«
Gallinas Augen weiteten sich. »Woher ...?«
»Ich bin ihm schon einmal begegnet. – Wo sind die Kinder?«
Gallina zuckte zusammen. »Nicht hier. In einem ... anderen ... Haus.«
»Draußen vor der Mauer? Im Lusthaus? Bist du über den Tunnel hierher gebracht worden?«
Gallinas Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie schluckte mehrmals. Als Hannah ihr zur Beruhigung die Hand auf den Arm legen wollte, zuckte das Kind zurück, als hätte es sich verbrüht.
»Woher ... wisst Ihr ...?«, fragte Gallina stockend.
»Ich weiß es, weil ich seit Monaten versuche, die Kinder zu finden und diesem ... diesem
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