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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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unter den Wehrgang zur Stadtmauer ging, der etwas überstand. Dort setzten sie sich hin, und die Liss bettete Hannahs Kopf in ihren Schoß. Sie sagte nichts, sie strich ihr nur über die Haare, bis das Weinen nachließ. Ein Schluchzen durchbebte ihren Körper noch eine ganze Weile. Endlich fühlte sie sich wenigstens ein bisschen geborgen, obwohl der Anblick des halb verkohlten Tores, der rußgeschwärzten Mauer und das Wissen, dass das Haus dahinter nicht mehr da war, ihr wie ein Messer durchs Herz fuhren.
    Sie wollte nur noch die Augen schließen. Sie wollte sterben, und sie fragte sich unaufhörlich, wie bei einer Gebetslitanei, warum Gott der Herr gerade sie am Leben gelassen hatte.
    »Wäre es nicht besser, ich wäre tot?«, murmelte sie.
    »Was für ein Unsinn«, antwortete die Schwarze Liss. »Schaumich an. Ich bin nicht viel älter als du, aber so schief, wie ich gehe, interessiert sich kein Mann für mich. Die wollen gesunde Frauen. Habe ich mich deshalb umgebracht? Wünsche ich mir deshalb den Tod? Nein. Im Gegenteil. Vielleicht hat mich der Herr dazu ausersehen, genau dir zu helfen. Und wenn ich es recht überlege, dann haben wir etwas zu tun.«
    Doch Hannah wollte nicht aufstehen. Sie wollte im Schmutz liegen bleiben. Dort gehörte sie offenbar hin, das hatte ihr das Schicksal klargemacht.
    Dann sah sie den Schlüssel auf dem Pflaster liegen. Der Schlüssel erinnerte sie daran, dass es noch einen Ausweg gab. Die wenigen Gulden, die sie in der Kassette unter der Steinfliese aufbewahrt hatten, würden sie für ein paar Wochen über Wasser halten können. Und das war mehr, als sie sich im Augenblick erhoffen konnte.
    Hannah stand mühsam auf, ging dorthin, wo der Schlüssel lag, bückte sich, nahm den Schlüssel und schleppte sich zur Pforte. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss – und bemerkte, dass die Tür gar nicht abgeschlossen gewesen war.
    »Sie ist offen«, sagte sie überrascht.
    »Aber ich habe doch probiert, sie aufzustemmen. Es ging nicht«, sagte die Schwarze Liss verwundert.
    »Vielleicht liegt etwas davor«, sagte Hannah. »Komm, hilf mir.«
    Hannah drückte die Klinke hinunter, und gemeinsam stemmten sie sich gegen die Tür, bis sie schließlich tatsächlich nachgab. Sie hörten, wie etwas über den Boden schabte, dann stand das Türblatt so weit auf, dass sie hindurchschlüpfen konnten.
    Hannah ging voraus, die Bettlerin folgte ihr. Im ersten Augenblick hatte Hannah das Gefühl, als würde man ihr mit einem Brett vor den Kopf schlagen. Schwarze Trümmer überall, die aus der Nähe noch gespenstischer wirkten als vom Wehrgang aus. Alles war schwarz: die Balken, der Boden, die Mauerreste.
    Wie betäubt stolperte Hannah vorwärts. Sie wusste nicht, wo im Garten sie war, sie konnte nicht erkennen, wo das Haus begann. Sie musste sich erst vergewissern, wo welcher Gebäudeteil gestanden hatte.
    »Jetzt beeil dich, Kindchen. Der Wächter schaut auch ab und zu am Grundstück vorbei. Wir können uns hier nirgends verstecken. Und sollte uns jemand erwischen, landen wir in den Hexenlöchern. Und zwar ohne Ohren und Nase, weil sie uns die abschneiden werden.«
    Hannah erwachte langsam aus diesem Albtraum. Sie blickte genauer auf die Trümmer. Langsam schälte sich aus ihrem Gedächtnis der Grundriss des Hauses. Zielsicher ging sie zu einer Stelle, überlegte und sagte schließlich: »Hier muss es sein!«
    Die Schwarze Liss ließ sich neben Hannah auf den Boden nieder, und sie begannen den Schutt wegzuräumen und die ehemals roten Steinfliesen freizulegen.
    Hannah klopfte auf eine der Fliesen, dann auf eine andere. Bei der dritten schließlich hatte sie Glück. Sie klang hohl.
    »Das ist sie«, flüsterte Hannah.
    Rasch war sie freigelegt, und Hannah und Liss hoben sie gemeinsam aus dem Boden.
    Darunter kam tatsächlich eine große graue Metallkassette aus Zinn zum Vorschein, und Hannah durchfuhr ein heftiges Glücksgefühl. Sie hob die Kassette aus dem Loch. Es klimperte darin. Hannah schloss die Augen und seufzte. Sie enthielt Geld und Schmuck.
    »Willst du die ganze Kassette mitnehmen?«, flüsterte die Schwarze Liss nah an Hannahs Ohr.
    Hannah nickte. »Den Schlüssel hatte mein Mann um den Hals hängen. Ich habe keinen Schlüssel. Wir müssen sie aufbrechen. Das würde hier zu viel Lärm machen, und es würde zu lange dauern.«
    Die Schwarze Liss nickte. Sie legten die Platte wieder zurück, schaufelten mit ihren mittlerweile rußschwarzen Händen Steine und Schutt über die Öffnung, Hannah

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