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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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neben sie. Doch dann war auch sie wie gebannt von dem, was dort zu sehen war.
    »Ist das ein ... Schlüssel?«, fragte Hannah.
    »Ja. Verrückt, nicht?«
    Die beiden Männer ließen tatsächlich einen Schlüssel an der Mauer hinab und befestigten dann den Wollfaden, an dem er hing, am Laden der Schießscharte, sodass er etwas über Blickhöhe nahe der Pforte baumelte. Nur wer wusste, wo er sich befand, konnte ihn entdecken.
    »Wofür ist der, Liss?«
    »Wenn mich nicht alles täuscht, Röttel, dann gibt es für den Schlüssel nur eine Verwendung: die Pforte.«
    »Verstehst du, was das soll?«, fragte Hannah.
    »Wenn wir im Krieg wären, würde ich sagen, hier wird gerade die Stadt verraten. Wer weiß, wo der Schlüssel hängt, kann nämlich jederzeit durch diese Pforte in die Stadt kommen. Auch nachts.«
    »Aber wer kann unbemerkt durch diese Pforte wollen?« Hannahs Blick wanderte vom Mauerdurchbruch bis zum Lusthaus hinüber und wieder zur Pforte zurück. »Die Schmuggler!«, schloss Hannah messerscharf.
    Die Schwarze Liss nickte.
    »Jetzt müssten wir nur noch wissen, was und für wen sie schmuggeln.« Hannah blickte nachdenklich drein.
    »Ja, Röttel. Wenn es tatsächlich der Schlüssel für die Pforte ist.«
    Hannah sah die Liss überrascht an. »Was ... was willst du damit ... sagen?«
    »Was sucht ihr Weibsleute auf dem Wehrgang?«, herrschte sie da eine Stimme an.
    Die beiden fuhren herum. Vor ihnen stand einer der Handwerker, die wohl für die Bewachung dieses Mauerabschnitts zuständig waren. Er roch scharf nach Beize und Holz. Ein Tischler oder Zimmerer. Er war noch recht jung und sicher kräftig und schnell. Selbst mit Harnisch, Helm und Hellebarde war er ihnen vermutlich überlegen. Außerdem warteten auf der anderen Seite noch zwei Männer. Es war demnach besser, sich mit dem Handwerker hier abzugeben, als die Beine die Hand zu nehmen.
    »Wir ... die Luft hier oben ist besser ...«, versuchte sich die Schwarze Liss herauszureden. Doch die Ausrede war zu plump.
    Unter dem Helmrand des Mannes bildeten sich tiefe Falten. Hannah wusste sofort, dass dieser Kerl nicht mit frechen Reden zu übertölpeln war. Sie hatte schon oft erlebt, dass Handwerker über mehr Lebensklugheit verfügten als so mancher Kaufmann. Weil es offenbar zum guten Ton gehörte, mit ihnen zu feilschen oder sie übers Ohr zu hauen, hatten sie eine Art natürliches Misstrauen gegen jeden falschen Ton entwickelt. Außerdem sah er sie mit einem Blick an, der Hannah unsicher machte. Fast schien es, als erkenne er sie – als würde er ahnen, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte.
    »Was habt Ihr da zu gaffen? Was gibt es da draußen?« Er schob die beiden Frauenzimmer zur Seite und blickte durch die Luke.
    »Was wollt Ihr hören?«, fragte die Liss wieder spöttisch.
    Doch der Mann beachtete die Schwarze Liss gar nicht. Er zog den Kopf aus der Luke und wandte sich zu Hannah um. »Also. Was hattet Ihr hier zu schaffen?«
    Er wechselte die Hand an der Hellebarde – und jetzt wusste Hannah, woher sie den Mann kannte. Vom Ringfinger verlief über die rechte Hand eine lange Narbe, die weißlich leuchtete. Und sie wusste auch, von wem diese Narbe stammte: von ihrem Mann.
    »Wir wissen nicht ...«, stammelte Hannah.
    »Seid Ihr krank? Aussatz, Lunge, Blattern?«
    Hannah schüttelte energisch den Kopf. In ihr begann ein Plan zu reifen. Ihr Mann hatte den jungen Handwerker, er war tatsächlich Tischler, vor dem sicheren Tod bewahrt. Der Finger war schwer entzündet gewesen, und es hatte sich schon Wundbrand gebildet. Eigentlich hätte man ihm die ganze Hand abnehmen müssen, aber das hätte nicht nur bedeutet, dass er nie wieder hätte arbeiten können und damit verarmt wäre, sondern es wäreauch einer Schändung gleichgekommen. Der Armstumpf eines Diebes unterschied sich schließlich in nichts von dem eines ehrlichen Handwerkers.
    »Nein, Herr!«, sagte sie schüchtern.
    »Lasst das Gesäusel. Ich bin kein Herr und das wisst Ihr genau«, fuhr sie der Handwerker an.
    Hannah senkte den Blick. »Ihr müsst uns helfen!«, flüsterte sie beinahe unhörbar.
    Der Handwerker trat näher. Jetzt musterte er sie unverhohlen neugierig. »Wir kennen uns, nicht wahr?«
    »Euer Finger.« Hannah deutete auf die Hand des Tischlers. »Mein Mann hat Euch ... gerettet.«
    Der Tischler sagte nichts. Er schaute ihr nur lange in die Augen, ließ dann den Blick über ihr Gesicht wandern, das immer noch die Narben der Verbrennungen trug, als suchte er nach einem

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