Fummelbunker
war die Sonne noch nicht untergegangen. Ich trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid, das mir bis zu den Knien reichte und meiner ausladenden Hüfte schmeichelte. Die Absätze meiner Schuhe waren keine fünf Zentimeter hoch, ich war mir im Klaren darüber, dass eine Frau über 1,90 Verunsicherung bei den Männern verursachen konnte. Meine Glock ließ ich zu Hause.
Olaf holte mich ab. Es wäre für ihn günstiger gewesen, wenn er sich mit mir vor dem Casino getroffen hätte, aber er bestand darauf. Er fuhr einen schwarzen Passat Kombi. Auf der Rückbank waren zwei Kindersitze festgezurrt. Zwischen ihnen klemmte eine grüne Kiste mit diversen Spielzeugen und Büchern, quer darüber lag das Jackett für den Abend. Olaf trug eine schwarze Stoffhose und ein akzentloses weißes Hemd. Nach einer Viertelstunde verließ er die Autobahn und bog in den Lütgendortmunder Hellweg ein. Keine 600 Meter später sprang mir der prunkvolle gläserne Bau ins Auge.
Das Lütgen-Casino wurde vor drei Jahren auf dem Gelände gegenüber der alten Ritterbrauerei errichtet, nachdem sich die Radeberger Gruppe gegen einen Umbau der Ritterbieranlage durch die Spielbankvisionäre ausgesprochen hatte. Der Aufbau dauerte zwei Jahre und lief nicht ganz ohne Störungen ab, weil viele Dortmunder glaubten, der Bunker vergifte die nostalgische Aura, die die Brauerei seit ihrer Schließung umgab. Doch nach der Eröffnung konnte sich die Spielbank vor Besuchern kaum retten und nach der angeknacksten Aura krähte bald kein Hahn mehr.
Olaf schwenkte den Passat auf den Parkplatz. Dieser machte etwa die Hälfte des Geländes aus und war von zwei Meter hohen Buchsbaumhecken umsäumt. Gartenlaternen flimmerten kniehoch die Durchfahrt entlang, die Inseln zwischen den Parkflächen waren mit sonnengelben Stiefmütterchen bewuchert. Während Olaf nach einer Lücke suchte, ließ ich meinen Blick über die Autodächer fliegen. Mittelklassewagen. Ich sah VW, Opel, Citroën und Nissan. Zwischendurch glaubte ich, einen Porsche zu erkennen. Olaf parkte seinen Passat zwischen einem VW Käfer und einem Audi Quattro. Als wir ausstiegen und losgingen, klapperten die Absätze unserer Ausgehschuhe auf dem glatten Steinboden. Außer uns war keine Menschenseele unterwegs.
Die Spielbank war ein halbrunder Komplex, die gerade Kante zum Hellweg gerichtet. Wir hatten uns dem Haupteingang zugewandt, der wie ein Relief in den runden Bau eingelassen war. Vor ihm ausgebreitet lag eine halbrunde graue Marmortreppe, in deren Stufen Treppenlichter eingelassen waren. Auf dem gläsernen Baldachin über der Flügeltür leuchteten die gelben Lettern des Lütgen-Casinos, ihr Licht reflektierte in den dahinterliegenden Fenstern. Über dem Erdgeschoss zählte ich zwei weitere Etagen, darüber ein penthouseartiger Anbau. Durch die Panoramafenster schimmerte das Licht runder Deckenleuchten, die ich vom Parkplatz aus sehen konnte.
Ich pfiff durch die Zähne. »Nicht von schlechten Eltern.«
Ein Türsteher im Smoking ließ uns hinein. Er ging mir bis zur Schulter und in seinen polierten Schuhkappen konnte ich mein Gesicht sehen. Vielleicht auch meine Unterhose, wenn er es darauf angelegt hätte. Gestenreich trieb er uns durch den gekachelten Vorraum. Als wir durch die zweite Tür traten, hörte ich meine Schuhe nicht mehr, weil sie in bordeauxrotem Hochflor versackten. Wir passierten einen Metalldetektor und ich kreuzte dankbar meine Finger, weil ich meine Glock zu Hause gelassen hatte. Dann mussten wir unsere Personalausweise vorzeigen. Die Augen des Sachbearbeiters pappten dabei derart konzentriert auf dem Bildschirm, dass ich glaubte, er würde gerade die internationalen Fahndungslisten nach unseren Gesichtern absuchen. Als er nicht fündig wurde, gab er uns mit einem Ausdruck unverhohlener Enttäuschung die Papiere zurück.
Wir betraten den ersten Raum. Hier ging es wie auf dem Wochenmarkt zu. Neuankömmlinge standen sich die Beine in die Bäuche und verarbeiteten glotzend die dargebotene Reizüberflutung. Mir erging es nicht anders: Ich wurde überrollt von Lichtern und Düften, Menschen brabbelten wild durcheinander und klassische Musik beschallte den Saal. Jeder brachte sein eigenes Odeur mit: Zu meiner Rechten roch es nach Moschus, während sich an meiner linken Flanke blumiges Flair entlanghangelte. Hinzu kam das Ensemble schwarzer Jacketts und Abendkleider, geschmückt von Ketten und Ohrringen, die in dem künstlichen Licht funkelten und blitzten. Genauso stellte ich mir eine
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