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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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gut«, sagte Wolfgang. »Wir werden uns diesen Wink einmal näher ansehen. Sag noch einem zweiten Team Bescheid. Ich möchte kein Risiko eingehen. Sie sollen ebenfalls nach Pankow fahren.«
    Anke war bereits durch die Tür, als er ihr noch etwas nachrief. »Druck alles über ihn aus, was wir haben. Ich möchte die Fahrt nutzen, um ihn besser kennenzulernen. Wir starten in fünf Minuten. Und noch was, Anke!«
    Sie steckte noch mal den Kopf durch seine Tür.
    »Es ist nur eine Möglichkeit«, sagte er. »Wir sollten es nicht überbewerten.«
    Sie nickte ihm zu und verschwand. Wolfgang nahm die Autoschlüssel und griff nach seinen Handschuhen. Er sah ein weiteres Mal zu dem Mietshaus und seinen Bewohnern hinüber. Dann drehte er sich um und verließ das Büro.
    Der dunkelgrüne Ford Fiesta stand unter einem Baum in der Binzstraße, keine hundert Meter von Winks Wohnung entfernt. Barbara parkte ihren Sportwagen dahinter auf dem Bürgersteig.
    Sie konnte es noch immer nicht fassen. Wie konnte es so nah sein? dachte sie aufgeregt. Wie konnte es sein, daß ihr Bruder Olaf mit solch einem Monster befreundet war? Wie konnte überhaupt irgendein Mensch mit einem befreundet sein, der sich nachts in die Stadt schlich und sadistische Morde beging? Hatte ihr Bruder denn überhaupt nichts bemerkt?
    Sie stellte den Motor ab und blieb im Wageninneren sitzen. Die Wirkung des Alkohols war verflogen. Sie mußte sich beruhigen, das immer wieder aufkommende Zittern unterdrücken. Halt durch, sagte sie sich. Auf die nächsten Minuten würde es ankommen. So lange durfte sie es sich nicht erlauben, dem Durcheinander in ihrem Kopf nachzugeben.
    Sie sah hinüber zu dem Haus, in dem Tobias Wink wohnte, und nahm ihre ganze Kraft zusammen. Jetzt! Sie gab sich einen Ruck, verbat sich jegliches Zweifeln.
    Es funktionierte. Mit einem Mal fiel die ganze Anspannung von ihr ab. Ihr Herzschlag normalisierte sich, die Hände hörten auf zu zittern. Sie hatte keine Angst mehr. Ihr Entschluß stand fest.
    Ihre Sinne schienen besonders geschärft zu sein. Sie roch deutlich das Leder auf den Armaturen, die Kontraste der Nähte stachen klar hervor. Mit einem Mal glaubte sie wieder völlig klar im Kopf zu sein. Ich werde ihn töten, das war der einzige Gedanke, den sie jetzt noch hatte. Es war soweit.
    Sie stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. Ihre dunkle Kleidung machte sie in der Nacht fast unsichtbar. Sie bewegte sich schnell, und nach wenigen Sekunden war sie im Schatten der Hofeinfahrt verschwunden.
    Sie hatte seinen Namen sofort auf dem Klingelschild entdeckt. Er wohnte im Hochparterre links. Sie sah an der Fassade hinauf, dann drückte sie die Klinke herab. Das Tor zur Hofeinfahrt war unverschlossen, wie so häufig bei unsanierten Häusern. Sie schlüpfte hindurch und ließ es sanft hinter sich ins Schloß einrasten.
    Ein modriger Geruch schlug ihr aus dem engen Innenhof entgegen. Der aufgesprungene Betonboden war an drei Seiten von Häuserwänden begrenzt, auf der vierten stand eine hohe Mauer, vor der die Mülltonnen aufgereiht waren.
    Barbara zog kurz in Erwägung, schon mal nach einem Fluchtweg Ausschau zu halten. Doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Sie hatte jetzt nur einen Auftrag. Wenn Wink erst einmal an seinem eigenen Blut erstickt war, konnte sie immer noch über ihr Entkommen nachdenken.
    Die Wohnungen hatten schmale Balkone aus Metall, die zum Hof führten, offenbar das einzige, was seit der Wende am Haus erneuert worden war. In einigen Fenstern brannte Licht, hinter den Balkonen lagen die Küchen der Vorderhauswohnungen.
    Auch im Hochparterre links brannte Licht. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen, und die Balkontür stand einen Spalt offen, damit frische Luft hineingelangen konnte. Es war die Wohnung von Tobias Wink. Die große Küche hinter der Balkontür war nur spärlich möbliert. Die kahlen Wände waren seit langem nicht mehr gestrichen worden. An der Decke über dem Ofen hatten sich dunkle Rußablagerungen gebildet.
    Sie hielt nach Tobias Ausschau, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Dann leuchtete ein weiteres Fenster im Hochparterre auf. Eine Abstellkammer. Ein junger Mann trat in den Raum und öffnete einen alten Schrank.
    Barbara sah ihn zum ersten Mal. Für einen Augenblick geriet sie durcheinander. Olaf hatte zwar einmal seinen Namen erwähnt, gesehen hatte sie ihn allerdings noch nie. Sie wußte nicht, wie sie sich Tobias vorgestellt hatte. Sie war jedoch überrascht über das schmale und blasse Aussehen.

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