Funke, Cornelia
den Soldaten. »Einer von euch muss bei ihr
bleiben.«
Fuchs
versuchte, sich zu verwandeln, doch Jacob griff nach ihrem Arm. Haut auf Haut,
das hielt das Fell zurück. Sie versuchte sich verzweifelt zu befreien, aber
Jacob ließ sie nicht los und drückte einem der Soldaten seinen Zimmerschlüssel
in die Hand. Er war breit wie ein Schrank, trotz seines Kindergesichts, und
würde sie hoffentlich gut bewachen.
»Sorg
dafür, dass sie mein Zimmer nicht vor morgen früh verlässt«, wies er ihn an.
»Und pass auf. Sie ist eine Gestaltwandlerin.«
Der Soldat
sah nicht sonderlich glücklich aus über den Auftrag, aber er nickte und griff
nach Fuchs' Arm. Die Verzweiflung in ihrem Blick tat weh, doch schon der bloße
Gedanke, sie zu verlieren, schmerzte mehr.
»Sie wird
dich töten!«
Ihre Augen
ertranken in Wut und Tränen.
»Vielleicht«,
sagte Jacob. »Aber es macht es nicht besser, wenn sie dasselbe auch mit dir
tut.«
Der Soldat
zog sie zum Zimmer zurück. Sie sträubte sich, wie die Füchsin es getan hätte,
und vor der Tür riss sie sich fast los.
»Jacob!
Geh nicht!«
Er hörte
ihre Stimme noch, als der Aufzug unten in der Eingangshalle hielt, und für
einen Moment wollte er tatsächlich wieder hinauffahren, nur um ihr die Wut und
die Angst vom Gesicht zu wischen.
Der andere
Soldat war sichtlich erleichtert, dass Jacob nicht ihn auserwählt hatte, auf
Fuchs aufzupassen, und Jacob erfuhr auf dem Weg zum Palast, dass er aus einem
Dorf im Süden kam, das Soldatenleben immer noch aufregend fand und ganz
offensichtlich keine Ahnung hatte, wen Jacob in den kaiserlichen Gärten zu
treffen hoffte.
Das große
Tor auf der Rückseite des Palastes wurde nur einmal im Jahr für das Volk
geöffnet. Sein Führer brauchte eine Ewigkeit, bis er das Schloss endlich
aufbekam, und Jacob vermisste einmal mehr den magischen Schlüssel und all die
anderen Dinge, die er in der Goylfestung verloren hatte. Der Soldat legte die
Kette wieder vor, sobald Jacob sich durch das Tor geschoben hatte, aber er
blieb mit dem Rücken dazu auf dem Gehsteig stehen. Schließlich würde
Donnersmarck wissen wollen, ob Jacob auch wieder herausgekommen war.
Von ferne
hörte man die Geräusche der Stadt, Kutschen und Pferde, Betrunkene, Straßenverkäufer
und die Rufe der Nachtwächter. Aber hinter den Gartenmauern rauschten die Brunnen
der Kaiserin, und in den Bäumen sangen die künstlichen Nachtigallen, die
Therese zu ihrem letzten Geburtstag von einer ihrer Schwestern bekommen hatte.
Im Palast brannte hinter einigen Fenstern noch Licht, doch auf den Baikonen und
Treppen war es gespenstisch still für den Vorabend einer kaiserlichen
Hochzeit, und Jacob versuchte, sich nicht zu fragen, wo Will gerade war.
Es war
eine kalte Nacht, und seine Stiefel hinterließen dunkle Spuren auf den
raureifweißen Rasenflächen, aber das Gras verschluckte das Geräusch seiner
Schritte weit besser als die kiesbestreuten Wege. Jacob hielt nicht Ausschau
nach den Spuren der Dunklen Fee. Er wusste, wohin sie gegangen war. Im Herzen
der kaiserlichen Gärten lag ein Teich, dessen Oberfläche so dicht mit Lilien
bedeckt war wie der See der Feen, und wie dort beugten sich Weiden über das
dunkle Wasser.
Die Fee
stand am Ufer und das Licht der Sterne haftete an ihrem Haar. Die zwei Monde
liebkosten ihr die Haut, und Jacob spürte, wie sein Hass in ihrer Schönheit
ertrank. Aber die Erinnerung an Wills versteinertes Gesicht brachte ihn
schnell zurück.
Sie fuhr
herum, als sie seine Schritte hörte, und er schlug den schwarzen Mantel zurück,
damit das weiße Hemd darunter sichtbar wurde, wie ihre Schwester es ihm
geraten hatte. »Weiß wie Schnee. Rot wie Blut.
Schwarz wie Ebenholz.« Eine Farbe fehlte noch.
Die Dunkle
Fee löste mit einem raschen Griff ihr Haar und ihre Motten schwärmten auf ihn
zu. Aber Jacob zog sich das Messer schon über den Arm und wischte das Blut auf
das weiße Hemd. Die Motten taumelten zurück, als hätte er ihnen die Flügel
verbrannt.
»Weiß,
rot, schwarz ...«, sagte er, während er die Messerklinge am Ärmel abstrich.
»Schneewittchenfarben. So hat mein Bruder sie immer genannt. Er mochte das
Märchen sehr. Aber wer hätte gedacht, dass sie so mächtig sind?«
»Woher
weißt du von den drei Farben?« Die Fee machte einen Schritt zurück.
»Deine
Schwester hat sie mir verraten.«
»Sie
verrät dir unsere Geheimnisse als Dank dafür, dass du sie verlassen hast?«
Sieh sie nicht an, Jacob. Sie ist zu schön.
Die Fee
streifte die
Weitere Kostenlose Bücher