Funkelnde Leidenschaft
schwarzgekleideten Mann keine Fragen mehr.
Nur ein einziges Mal erwachte er aus seiner Lethargie, östlich von Salt Lake City wurden sie von Straßenräubern überfallen, und er erschoß alle drei – so schnell, daß kein menschliches Auge der Bewegung folgen konnte. Was geschehen war, erkannten die anderen Reisenden erst, als er die Colts in die Halfter zurücksteckte. Dann zog er den Hut wieder über das Gesicht und schloß die Augen. Der Kutscher bedankte sich überschwenglich, erhielt aber keine Antwort. Nach zehn Tagen, sechs Stunden und zweiunddreißig Minuten traf Hazard endlich in Boston ein.
»Nein, dazu kannst du mich nicht zwingen«, fauchte Blaze, nachdem Yancy sie über seine Pläne informiert hatte.
»Du ahnst nicht, wie viele widerstrebende junge Frauen schon zu Madame Resteil gebracht wurden und auf Befehl ihrer Eltern die Folgen einer unpassenden Liebschaft beseitigen ließen. Auch du wirst dich dazu bereit erklären, und wenn ich dich eigenhändig auf dem Operationstisch festbinden müßte. Wenn ich Madame Restells Honorar verdoppele, wird sie keine Fragen stellen.«
»Aber ich werde ihr von deinen Machenschaften erzählen.«
»Dann wird sie dir nicht glauben. Sie weiß nur zu gut, wie hysterisch die jungen Dinger werden, wenn sie ihre Tanzlehrer, Reitknechte oder Gärtner nicht heiraten dürfen. Selbst wenn deine Geschichte etwas anders klingt – Madame Resteil denkt zu allererst an ihr Geschäft. Sonst hätte sie nicht das grandiose Haus an der Fifth Avenue bauen können. In einer Stunde reisen wir ab.«
Blaze erkannte, daß jeder Widerstand zwecklos war, und so fügte sie sich in ihr Schicksal. Wenigstens würde sie ihr Gefängnis verlassen können, und vielleicht wäre sogar ein Fluchtversuch möglich. Sorgfältig kleidete sie sich an. Da sie Trauer trug, würde die schwarze Perlenkette keine Aufmerksamkeit erregen. Am liebsten hätte sie den gesamten Inhalt ihrer Schmuckschatulle in der Handtasche verstaut, doch das wagte sie nicht. Yancy würde vermutlich ihr Gepäck durchsuchen.
Zum ersten Mal seit drei Wochen durfte sie ihr Zimmer verlassen – zum ersten Mal schöpfte sie Hoffnung. Mit den kostbaren Perlen wollte sie ihre Freiheit erkaufen. Wenn Madame Resteil tatsächlich eine so gute Geschäftsfrau war, würde sie die günstige Gelegenheit nutzen und ihr zur Flucht verhelfen.
In der Kutsche warteten zwei kräftig gebaute Leibwächter, die Blaze und Yancy auch auf der Zugfahrt nach New York begleiteten. Unterwegs schmiedete sie Pläne. Die Erholungspause, die nach einer Abtreibung erforderlich war, müßte ihr genug Zeit geben, ehe Yancy das Täuschungsmanöver durchschaute. Wenn sie die New Yorker Bank ihres Vaters aufsuchte, die den Treuhänderfonds verwaltete, konnte sie genug Geld für die Reise in den Westen abheben. Sie beschloß, die Bahnstationen vorerst zu meiden und eine Kutsche zu mieten. Erst zwei oder drei Tage später, in Washington oder Baltimore, wollte sie in einen Zug steigen. Niemand würde erwarten, daß sie erst einmal nach Süden fuhr.
35
Millicent Braddock trug ein hochelegantes Trauerkleid aus pflaumenblauer Seide mit einer schlichten zweireihigen Perlenkette. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem adretten Chignon geschlungen.
Hoch aufgerichtet stand sie am Fenster ihres Privatsalons und bewunderte die Herbstrosen im kleinen Garten, als plötzlich die Tür aufflog. Millicent drehte sich irritiert um und wollte den unverschämten Dienstboten zurechtweisen. Aber da stürmte ein Indianer herein und fragte in gebieterischem Ton: »Wo ist sie?«
Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Fassung wiederfand. »Wie können Sie es wagen, einfach hier einzudringen?« Statt zu antworten, warf er ihr einen vernichtenden Blick zu. »Venetia will Sie nicht sehen«, fauchte sie.
»Holen Sie sie sofort herunter.«
»Sie ist nicht hier.«
»Und wo steckt sie?«
»Das geht Sie nichts an. Verschwinden Sie sofort, oder ich lasse Sie hinauswerfen. Ich dulde nicht …«
»Hören Sie doch auf, die entrüstete Südstaatenlady zu spielen, Mrs. Braddock. Glauben Sie, es interessiert mich, was Sie dulden ? Wenn Sie mir nicht innerhalb von zehn Sekunden verraten, wo Blaze ist, erwürge ich Sie mit bloßen Händen.«
»Haben Sie noch immer nicht genug angerichtet, Mr. Black?« erwiderte sie eisig. Die Drohung, er würde sie am hellichten Tag erdrosseln, in ihrem eigenen Heim, erschien ihr einfach lächerlich. So einen Unsinn brauchte sie nicht ernst zu nehmen.
Hazard zog seine
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