Funkelnde Leidenschaft
Wilder, wie ihre Mutter ihn bezeichnen würde. Und er kann nicht einmal richtig Englisch sprechen, erinnerte sie sich. Plötzlich entdeckte sie einen schwachen Lichtschein weiter oben am Hang, ein flackerndes Feuer hinter dem Fenster einer Hütte, und ihr Herz schlug schneller.
»Hast du mich nicht gehört, Blaze?« wiederholte ihr Vater. »Bald kehren wir nach Virginia City zurück, gerade rechtzeitig, um den Territorial Ball zu besuchen. Ich dachte, darauf würdest du dich freuen.«
»O ja, natürlich, Papa«, antwortete sie hastig und riß ihren Blick von der einsamen Hütte los. »Diese Woche, sagtest du?«
»Am Samstagabend, Schätzchen. Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Willst du's deinem alten Vater nicht verraten?«
»Ach, es ist nichts Besonderes, Papa – ich bin nur müde. Es war ein langer Tag.«
»Und für eine Weile unser letzter hier draußen. Morgen treten wir die Rückreise nach Virginia City an. Und übermorgen abend wirst du den Komfort unseres Luxushotels genießen. Verdammt, ich kann's kaum erwarten, endlich mal wieder in einer richtigen Wanne zu baden.«
»Mir geht's genauso«, seufzte sie und hatte das Gefühl, der ganze Schmutz von Montana würde an ihrer Haut kleben.
Bald waren die Schnittwunden verheilt, die Hazards Trauer um die verstorbenen Eltern und Verwandten bekundeten. Dann war er aufgebrochen, um den Wunschtraum seines Vaters zu erfüllen. Der Clan brauchte Gold, um seine Zukunft zu sichern, und die kleine Mine, in der Onkel Ramsay Kent gearbeitet hatte, ließ sich nicht mit den neu entdeckten reichhaltigen Fundstätten vergleichen. Seit man 1862 am Grasshopper Creek die ersten größeren Ablagerungen aufgestöbert hatte, war Gold im Wert von dreißig Millionen Dollar in der Schlucht gefördert worden. 1863 und 1864 fand man in Alder Gulch und Last Chance Gulch weitere große Adern. Und der Boom hatte sich im ganzen Jahr 1884 fortgesetzt, in Prickly Pear Valley, in Confederate Gulch, in Diamond City und in Emigrant Gulch.
In Diamond City arbeitete Hazard hart und unermüdlich, um seine zwei Claims auszubeuten, die reiche Erträge versprachen, falls Lois Agassiz sein Metier verstand.
Aber seit seiner Begegnung mit der rothaarigen Frau schweiften Hazards Gedanken immer wieder von dem einzigen Thema ab, das ihn eigentlich interessieren sollte. Seine Erinnerung an leuchtend blaue Augen und wohlgeformte Rundungen beschworen unwillkommene Bilder herauf, was ihn mit wachsendem Zorn erfüllte. Ihr arrogantes Verhalten hatte ihn maßlos geärgert.
Wahrscheinlich gehörte sie zu dieser schwerreichen Reisegruppe, die ins Tal gekommen war, um sämtliche Gold-Claims aufzukaufen. Ihr Angebot, vierzig Dollar für eine Dienstleistung zu bezahlen, die nur zwei Minuten erforderte, wies deutlich genug darauf hin. Hätte er sie doch an jenem Tag verführt… Dann wäre sein Verlangen befriedigt und sein Zorn besänftigt worden. Und die unangenehmen Gedanken würden ihn nicht mehr verfolgen.
Er brauchte einfach eine Frau. Das war alles. Und so beschloß er, Lucy Attenboroughs Einladung zum Territorial Ball in Virginia City anzunehmen. Dort konnte er genug Damen treffen, die überglücklich in seine Arme sinken würden – inklusive der reizenden Lucy.
3
Am Abend des Territorial Balls roch die milde Luft nach jungem Gras und frischer Erde. Die Sonne versank in rotgoldenem Glanz hinter den Bergen. Allmählich milderte das sanfte Licht der Dämmerung die rauhe Atmosphäre der Goldgräberstadt. Blaze stand am Fenster ihres Privatsalons und beobachtete den Sonnenuntergang.
Während ihr Vater in der Hotelhalle mit Geschäftsleuten diskutierte, brauchte die Mutter wie üblich eine Stunde länger als die Tochter, um sich anzukleiden. Ein Diener servierte Blaze ein Glas Champagner, mit den besten Empfehlungen von Mr. Braddock, und sie sank in einen roten Plüschsessel, um das prickelnde Getränk zu genießen.
An ihrem weiten Reifrock aus weißer Seide und Spitze funkelten zahllose aufgestickte Staubperlen. Das eng anliegende, tief ausgeschnittene Oberteil der Ballrobe wurde von Fischbeinstäben gestützt. Um die nackten Schultern lag ein hauchzarter Spitzenschal. Die helle Farbe betonte Blazes Pfirsichteint und das kunstvoll hochgesteckte kupferrote Haar, aus dem sich, zum Kummer der Zofe, bereits ein paar widerspenstige Strähnchen gelöst hatten. Zu den langen Ohrringen aus Diamanten und Perlen trug sie eine passende Halskette mit einem Medaillon, das zwischen ihren vollen Brüsten hing.
Wenn
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