Funkelnde Leidenschaft
jemand durchschnitt seinen Hals. Geschieht ihm recht, dachte sie, wenn er so dumm war, nach der Vergewaltigung seiner neuen Sklavin betrunken einzuschlafen. Wie sie einem Zeitungsartikel entnahm, wurde sie wegen Mordes gesucht. Doch da reiste sie bereits nach St. Louis, das Bargeld des Toten in ihrem Gepäck versteckt.
In der großen Stadt eröffnete sie ein Bordell, in dem sie nicht selbst arbeitete. Das hatte sie nicht nötig, da sie genug Geld besaß. Ihr Etablissement war schon bald das erfolgreichste von St. Louis, aber sie begann sich zu langweilen. Vier Jahre später hatte sie von den fabelhaften Goldfunden im Westen erfahren und beschlossen, zu neuen Ufern aufzubrechen.
Mühelos sprang Hazard vom Dach auf einen von einem schmiedeeisernen Geländer umgebenen Balkon im ersten Stock. Leise öffnete er die Glastür, schob goldgelbe Brokatvorhänge beiseite und spähte in ein Schlafzimmer. Roxy, eine der Damen des Hauses, lag gerade auf dem Rücken, bediente einen Kunden und schaute sich angeödet um. Als Hazard hereinschlüpfte, winkte sie ihm lächelnd zu.
Der Geschäftsmann, den seine Frau bei einer Freimaurerversammlung wähnte, kehrte ihm den Rücken zu und war so in seine Aktivitäten vertieft, daß er nichts bemerkte. Lautlos durchquerte Hazard den Raum, zog die Tür auf und schaute in den Flur, wo er niemanden entdeckte. Nachdem er Roxy eine Kußhand zugeworfen und ihr Lächeln erwidert hatte, huschte er hinaus. Immer noch grinsend, betrat er Roses Suite, die weiter unten am Korridor lag. Die Hausherrin zuckte erschrocken zusammen. »Was für ein Narr du bist, Jon! Und das scheint dich auch noch zu belustigen. Seit deinem letzten Besuch wird dieses Haus rund um die Uhr bewacht.«
»Oh, ich amüsiere mich nur über Roxys besonderen Stil. Und ich fürchte, Reggie Weaver wird die nächste ›Freimaurersitzung‹ nicht ohne Schlaganfall überstehen.«
»Also bist du auf diesem Weg eingedrungen«, seufzte sie und sah nach, ob die schweren Seidenvorhänge an den beiden Erkerfenstern, die zur Straße hinausgingen, zu waren. »Du hättest nicht herkommen dürfen.«
»Besten Dank für die freundliche Begrüßung.« Hazard legte sein Gewehr und den Lederranzen ab und sank in einen Samtsessel.
Beunruhigt wandte sie sich ihm zu. »Der Kerl hat jeden Schurken in dieser Stadt beauftragt, dich zu töten – ganz zu schweigen von seinen Leibwächtern aus dem Osten. Seit gestern hängen Fahndungsplakate an allen Mauern. Und er hat eine verlockende Belohnung für deinen Kopf ausgesetzt.«
»Wer? Doch nicht der Colonel?«
»Nein, Yancy Strahan, einer jener nichtsnutzigen Gentlemen, die den Süden in Verruf gebracht haben.«
»Ich dachte, du verabscheust den Süden.«
»Nicht den Süden – nur die Schufte, die seinerzeit dachten, er würde ihnen ebenso gehören wie alle dunkelhäutigen Menschen. Und versuch nicht, das Thema zu wechseln! Du weißt verdammt gut, wer deinen Tod herbeisehnt. Warum verschwindest du nicht, bevor irgend jemand etwas merkt?«
»Reg dich nicht auf. Außer Roxy hat mich niemand gesehen, und sie wird mich wohl kaum ermorden. Reden wir lieber über diesen Strahan. Warum hat er sich plötzlich zum Anführer ernannt?«
Rose setzte sich auf die Armstütze eines Sofas. »Angeblich ist er mit der Frau des Colonels liiert.«
»So?« Hazard hob verwundert die Brauen. Ein paarmal hatte er Millicent Braddock gesehen und für eine frigide Frau gehalten. Zu dünn, zu spröde.
»Wahrscheinlich stimmt's.«
»Glaubst du, die beiden haben vom Tod des Colonels erfahren?«
»Großer Gott, ist er wirklich gestorben?«
»Möglicherweise. Rising Wolf hat irgendwelche Gerüchte gehört.«
»Bitte, Jon!« Nervös sprang sie auf und eilte zu ihm. Der Saum ihres fliederfarbenen Seidenkleids raschelte leise auf dem geblümten Teppich. »Wenn Braddock tatsächlich tot ist, schwebst du in höchster Gefahr. Du mußt sofort fliehen. Nimm dich in acht vor Strahan! Der schreckt vor nichts zurück. Als er das erste Mal in der Stadt war, hat er eins meiner Mädchen mißhandelt. Danach erklärte ich ihm, er sei hier nicht mehr willkommen. Glücklicherweise stand ich da zwischen Buck und Tom, sonst hätte er sich auch an mir vergriffen. Sei vernünftig, Jon! Sobald er dich sieht, ist dein Leben keinen Pfifferling wert. Nun? Wirst du verschwinden?«
»Nur keine Panik, Rose. Mit Strahan werde ich schon fertig.«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht. Er sucht keinen fairen Kampf, und meistens läßt er die
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