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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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sehr gern mit uns treffen werde, und er schrieb seine Telefonnummer auf einen Zettel, den er Sarah gab. Dann lächelte er mich an und verschwand mit seinem sagenhaften Knackarsch in der Ferne.
    Sarah sagte, das sei ein Déjà vu.
    Sarah und ich waren gute katholische Schulmädchen gewesen. Unsere Eltern hatten sich beträchtliche Mühe gegeben,uns eine Fahrkarte in den Himmel zu sichern, indem sie uns auf eine von Nonnen geführte Privatschule schickten. Nachdem wir uns für die weiterführende Schule qualifiziert hatten, fuhren wir gemeinsam mit dem Zug nach Hause und unterhielten uns über Jungs. Es dauerte nicht lange, und wir hatten uns für Unterhaltungen mit Jungs qualifiziert.
    Wir stiegen damals immer am Hauptbahnhof Glasgow um. Dort warteten Sarah und ich bei Burger King auf unseren Anschlusszug. Die Jungs aus St. Aloysius saßen auch bei Burger King, und es kam zu Kontakten, die ungefähr so abliefen:
    Junge gab bestem Freund eine Nachricht, und bester Freund gab sie meiner besten Freundin (Sarah), und die Nachricht lautete: »Willst du Backsteine mit mir zählen?« Meine beste Freundin las mir die Nachricht vor, und ich lächelte für alle sichtbar und schrieb mit gespielter Schüchternheit »Ja«, und sie überreichte die Nachricht dem besten Freund, der sie an den besagten Jungen weiterreichte.
    Dann begab ich mich zum Bahnsteig im Untergeschoss. Dort stand ich mit dem Rücken zur Wand und wartete darauf, dass der Junge auf mich zukäme, seine Hände gegen die Wand legte und mir einen Kuss-mit-offenem-Mund-aber-ohne-Zunge gäbe. Das hieß dann Backsteine zählen.
    Sarah zählte nie Backsteine. Sie war zu hübsch und hatte nicht die Absicht, mit rotznäsigen Tunichtguten bei Burger King ihre Zeit zu vergeuden. Statt also Backsteine zu zählen, hörte Sarah ihnen zu, wie sie darauf wetteten, ob ich ihrem Kumpel einen Käpt’n Iglo durchgehen lassen würde.
    Selbst damals bewahrte sie ihre Fürsorglichkeit mir gegenüber. Als sie auf die Schwesternschule wechselte und ich mit meinem Rucksack auf Tour ging, bemerkte ich, wie groß der Unterschied zu früher geworden war. Es gab niemanden, der mich aufhielt. Also ließ ich’s krachen, auf Teufel komm raus, und falls jetzt jemand fragen würde, müsste ich meine Strichliste auf die nächstgelegene Zehnerstelle abrunden.
    Nach all diesen Jahren passte Sarah immer noch genauso auf mich auf wie damals am Hauptbahnhof. Der einzige Unterschiedwar, dass ich mit sechzehn darauf geachtet hatte, dass niemand in den Strafraum kam, während mit dreiunddreißig ein Elfmeter weitgehend garantiert war.
    Mein sexuelles Erwachen hatte im Alter zwischen fünfzehn und neunzehn stattgefunden – auf schäbigen unterirdischen Bahnsteigen (siehe oben), in rostigen Geräteschuppen, dunklen Gassen und den Duschräumen in Pfadfinderheimen. Immer war ich ein zitterndes Nervenbündel gewesen, weil ich voll und ganz damit zu tun hatte, eine Hand davon abzuhalten, dass sie dahin wanderte, ihr einen Klaps zu geben, weil sie dorthin zu wandern versuchte, sie ein bisschen näher hierhin wandern zu lassen … Mein Gott!
    Nachher betete ich in der Kirche und sagte dreiunddreißig Ave Marias auf. Später fragte ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, sie auf eine gerade Anzahl abzurunden oder dann und wann ein Vaterunser einzuschieben. Und dabei ging es noch nicht mal um richtigen Sex! Diese Gebete waren für »Rubbeln« und »Fingern« – wobei der erste Begriff sich auf das Reiben der Brustwarzen bezog, bis die fast einen Ausschlag bekamen, und der zweite auf das gnadenlose Herumstochern halbwüchsiger Finger an lauter falschen Stellen. Der Herr weiß: Wenn ich es wirklich mit allem Drum und Dran gemacht hätte, ich hätte den ganzen Tag gebetet.
    Ich weiß nicht, wann mich mein Katholizismus verließ, aber er tat es. Ich hörte auf, meinen Eltern vorzulügen, dass ich in die Messe ginge, und schließlich – nur, um ihnen unzweifelhaft klarzumachen, dass ich wirklich der Sünde verfallen war – wurde ich von einem Typen in einer Toilette auf Teneriffa geschwängert.
    Inzwischen weiß ich, dass mir das katholische Schuldgefühl den besten Sex meines Lebens beschert hat. Meinem treuen Freund hatte ich mindestens fünf Jahre lang versagt, es wirklich und richtig zu tun. Was würde ich jetzt dafür geben, wenn jemand wie er sich tagaus, tagein bei mir vortasten würde, vortasten und vortasten und vortasten! Diese Aufmerksamkeit, diese Motivation und Hingabe werde ich nie wieder finden.

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