Furchtlos in High Heels
Stadtmitte von L.A.. Es war dunkel, denn die Straßenlaternen spendeten nur schwaches Licht, in dem ich ihr wehendes rotes Haar um eine Hausecke verschwinden sah. Erstaunlicherweise waren die Straßen verlassen, etwas, was gewöhnlich in L.A. nicht der Fall war. Aber wir waren allein, nur sie und ich. Ich konnte hören, wie schwer ihr Atem ging, und ich war überzeugt, dass ich sie langsam einholte.
„Becca!“, rief ich. Aber sie blieb nicht stehen, wurde nicht langsamer. Sie lief einfach weiter.
Ich folgte ihr, aber je schneller ich laufen musste, desto langsamer schienen sich meine Füße bewegen zu können. Es war, als sei der Bürgersteig plötzlich aus Sirup und jeder Schritt ein Kampf. Und ich konnte sehen, dass sie entkam, sich weiter und weiter von mir entfernte, bis ich nur noch schwach die Umrisse ihrer Gestalt erkennen konnte.
„Becca!“, rief ich noch einmal.
Aber eine tiefe Stimme hinter mir antwortete: „Vergiss sie.“
Ich hörte auf zu rennen und wirbelte herum, fand mich Sebastian von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Seine eisblauen Augen waren eindringlich auf mich gerichtet, und sein Haar schimmerte wie gefährliche Zacken im Schein der Straßenlaternen über uns.
„Sie ist fort“, teilte er mir mit. „Aber ich muss sie ersetzen.“
Er machte einen Schritt auf mich zu. „Ich möchte, dass du sie ersetzt.“
Ich öffnete meinen Mund, um zu protestieren, zu schreien, aber kein Laut kaum heraus. Stattdessen spürte ich, wie ich nach Luft schnappte, als Sebastians Augen wild wurden, seine Lippen sich teilten und seine Reißzähne im Licht der Laterne schimmerten, als er sich zu meinem Hals herunterbeugte …
Das Geräusch der Ouvertüre von Wilhelm Tell, die auf meinem Nachttischchen aufheulte, riss mich jäh aus dem Schlaf. Ich nahm drei tiefe Atemzüge, befreite mich aus den Resten meines Traumes und kämpfte mich in die Wirklichkeit zurück, während ich auf die Digitalanzeige des Weckers starrte, die neben mir rot leuchtete. Halb acht am Morgen. Zögernd tastete ich immer noch verschlafen um mich, bis ich mein Handy spürte und die richtige Taste erwischte.
„Hallo?“, krächzte ich.
„Er ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen“, wimmerte Dana am anderen Ende.
„Wer?“
„Ricky! Maddie, er ist letzte Nacht nicht heimgekommen. Er ist mit Ava unterwegs. Das ist es, ich habe ihn an ein Playboy-Vampir-Häschen verloren!“
Ich blinzelte, rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Bist du sicher, dass er mit Ava zusammen ist?“
„Wo sonst könnte er sein?“
„Vielleicht hat er gestern Abend noch spät einen Dreh gehabt.“
Ich hörte Dana am anderen Ende nicken. „Ja, das hat er. Aber der war um sechs zu Ende, und jetzt ist es halb acht und er ist noch nicht wieder zu Hause.“
Ich verdrehte innerlich die Augen. „Eineinhalb Stunden? Süße, das ist nicht ein ‚Er ist letzte Nacht nicht heimgekommen‘, sondern ein ‚Er steht in der 101 im Stau.‘“
„Das ist doch genau das, was sie mir antut“, beklagte sich Dana und ihre Stimme schraubte sich in hysterische Höhen. „Dank dieser Dumpfbacke kann ich nicht essen, nicht schlafen, und alles, woran ich denken kann, ist, dass Ricky einen weiteren Vertrag mit ihr unterschreibt, damit sie ihre Beißer in den Hals meines Freundes versenken kann.“
„Ich bin sicher, Ricky ist unterwegs. Hast du versucht, ihn anzurufen?“
„Sein Handy ist aus.“ Dana schwieg einen Moment. „Oh Gott. Sein Handy ist aus. Das ist ein schlechtes Zeichen, nicht wahr? Das ist ein Zeichen, dass er nicht will, dass ich erfahre, wo er ist. Er schläft mit ihr, nicht wahr? In genau diesen Augenblick schläft er mit ihr und hat sein Handy ausgemacht.“
„Tief Luft holen, einatmen und wieder ausatmen“, wies ich sie an.
Ich hörte sie gehorchen, nach Luft schnappen. „Maddie, du musst mit mir zum Set fahren und ihn suchen.“
„Jetzt?“, fragte ich und schaute wieder auf meinen Wecker. Sieben Uhr zweiunddreißig. Immer noch viel zu früh für menschlichen Kontakt.
„Bitte, Maddie. Ich werde hier noch verrückt. Ich brauche moralische Unterstützung. Ich brauche Rückendeckung. Wenn ich ihn nackt in ihrem Trailer finde, kann ich nicht sagen, was ich tun werde.“
Da hatte sie recht. „Gib mir zwanzig Minuten.“
„Du bist die Beste. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, versprach Dana, dann hängte sie auf.
Ich widerstand dem Drang, mich wieder in meine Kissen fallen zu lassen, schleppte mich stattdessen müde zur Dusche
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