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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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ich kann mir denken, was Christian gemeint hat. Pass auf, es ist eigentlich ganz einfach, auch wenn es nicht so leicht zu erklären ist.« Der Wissenschaftler schaute einen Augenblick schweigend auf den Boden. Er schien zu überlegen. Dann sah er Sebastian ins Gesicht.
    »Dein Vater und deine Mutter haben sich einmal heftig gestritten. Lange bevor du geboren warst. Wir wollten damals nach Spanien, Christian und ich. Bevor wir gefahren sind, gab es Krach. Worum es ging, weiß ich nicht mehr genau, aber ichglaube, deine Mutter wollte nicht, dass dein Vater immer so lange von zu Hause weg bleibt. Das ist Christian aber schwer gefallen. Sosehr er deine Mutter auch geliebt hat, er war besessen von seiner Arbeit, ohne sie war er nicht glücklich. Und als wir in Spanien waren, da hat er einen Brief bekommen, in dem deine Mutter ihm schrieb, sie wolle sich von ihm trennen. Er hat ihr sofort zurückgeschrieben, aber wohl so getan, als hätte er ihren Brief nie erhalten. Er schrieb ihr, er würde zurückkommen, weil ein Experiment missglückt war. Er erfand einen simplen Grund, mit dem er sofort zurück nach Deutschland fahren und zugleich so tun konnte, als wüsste er nichts von ihrem Brief.« Wallroth blickte Sebastian eindringlich an. Was sollte das? Was Wallroth erzählte, passte hinten und vorn nicht. In dem Brief war die Rede von den Kordilleren, von Lamas und von der Pampa gewesen. Doch noch bevor er Wallroth darauf aufmerksam machen konnte, beendete der das Gespräch.
    »Das ist alles. Eine rein private Geschichte.«
    Der Forscher stand auf und stellte sich neben Sebastian. »Die Verwaltung wird sicher nicht lange damit warten, einen Nachfolger als Institutsleiter zu bestimmen. Vermutlich habe ich gute Karten. Aber ich sage dir ganz ehrlich, lieber hätte ich noch zehn Jahre auf den Job gewartet, als dass ich ihn jetzt auf diese Weise bekomme. Na ja, nur dass du dich nicht wunderst. Und wenn dir noch was einfällt, was ich für dich tun kann, dann sag mir Bescheid.«
    Als Wallroth sich verabschiedet hatte, sah Sebastian ihm lange hinterher. Wallroth bemühte sich redlich. Sicher war er ein guter Freund. Aber irgendwo fehlte ihm ein Quentchen Sensibilität. Und was war das für eine merkwürdige Spanien-Geschichte? Das war doch von vorn bis hinten erfunden! Sein Vater hatte den Brief ja nie abgeschickt. Oder war das nur ein Entwurf? Außerdem war in dem Brief eindeutig die Rede vonden Anden gewesen. Wie kam Wallroth auf Spanien? Er würde ihn später dazu noch mal fragen müssen.
    Er setzte sich hinter den Schreibtisch und startete den Computer. Dann kramte er die Notizen heraus, die er sich während der Lektüre des ›Narrenschiffs‹ gemacht hatte, und tippte einige der auffälligeren lateinischen Begriffe ein. Er begann mit
    Ad Narragoniam
    Die Reaktion des Computers überraschte ihn inzwischen nicht mehr. Die sich drehende Narrenkappe hatte heute eine andere Farbe. Alle weiteren Versuche ergaben ebenfalls lediglich neue Farbvariationen. Nachdem auch
    Veritas odium parit
    keinen Erfolg brachte, gab Sebastian auf. So weit also das ›Narrenschiff‹, dachte er enttäuscht. Da hatte er eine Niete gezogen.
    Wozu eigentlich das ganze Theater? Bloß weil sein Vater auf die absurde Idee kam, auf seinem Computer müssten einige ominöse Daten gelöscht werden? Musste er sich hier wirklich zum Narren machen? Warum hatte der alte Herr seine Hausaufgaben nicht selbst gemacht? Er war schließlich nicht der Botenjunge. Aber das war typisch für seinen Vater. Mach dies, mach das, und immer hatte es so geklungen, als sei das ja wohl alles kein Problem. Natürlich war Klein-Sebastian immer wieder auf Probleme gestoßen, und wenn er dann wieder einmal gescheitert war, wurde missbilligend die Augenbraue gehoben. Der Sohn des großen Christian Raabe hat sich mal wieder als Versager erwiesen. Irgendwie fühle ich mich schon verarscht, dachte Sebastian, und schaltete den Computer aus. Dann dachte er an die Telefon-Nachricht seines Vaters. Ich bin stolz auf dich. Und wie verzweifelt er geklungen hatte.
    Also gut, beschloss er, versuchen wir es mit ›Eulenspiegel‹. Er legte die Füße auf die Schreibtischplatte und widmete sich Hermann Botes Narrengeschichten.
    Sebastian kam mit der Lektüre gut voran und ignorierte das Knurren seines Magens.
    Auf Dauer wurde der Stil der von Bote gesammelten Historien langweilig. Zwar waren manche Geschichten ganz originell, aber der Humor des ausgehenden Mittelalters war ihm insgesamt zu

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