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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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kannst mich mit deinem beschissenen Computer am Arsch lecken, Christian Raabe.«
    Dann sprang er auf. »Wieso hast du dich überhaupt umgebracht, du Idiot?«, schrie er und trat gegen das Regal. Der Schmerz in seinem Fuß brachte ihn wieder zur Besinnung.
    »Scheiße!« Er ließ sich in den Stuhl fallen und umklammerteden pochenden Fuß mit beiden Händen. Ein greller, farbiger Schmerz schoss hinauf bis in die Wade.
    Sebastian verharrte einige Minuten mit zusammengebissenen Zähnen auf dem Stuhl. Er fühlte sich leer. Sein Vater hielt ihn wirklich zum Narren. Es hatte so gut zusammengepasst. Ein Narr, der auf Lateinisch sagt, er sei hier gewesen. Es war doch wie im ›Herrn der Ringe‹, oder nicht? Ein literarischer, klassischer Hintergrund, wie es sein Vater gemocht hätte. Was auch immer du dir dabei gedacht hast, du hast mich mal wieder überfordert, dachte Sebastian bitter. Selbst jetzt noch hast du es geschafft, deinen Sohn auf seine Unzulänglichkeit hinzuweisen. Bereust du es wenigstens, dass du einen Versager beauftragt hast, diese blöden Dateien zu löschen? Sebastian merkte, wie seine Gedanken langsam aus dem Ruder liefen und er seinem Vater Unrecht tat. Ablenkung, dachte er. Ich brauche jetzt dringend eine Ablenkung. Er hob den Kopf, schloss die Augen und befreite seinen Fuß aus den verkrampften Händen. Sobald das Blut wieder in seine Bahnen zurückkehren durfte, verstärkte sich der Schmerz. Aber das würde bald vergehen.
    Sebastian hatte die Nase voll – von Computern, Büchern, Narren, Forschern. Er beschloss, jegliches Arbeiten oder Nachdenken für diesen Tag zu beenden. Beim ersten Schritt aber war der grelle Schmerz wieder da und fuhr ihm das Bein hinauf. Er knickte ein. Im letzten Augenblick konnte er sich an einem Regal festhalten. Wenn das jetzt auch noch umfiele, dachte er, dann wäre wohl klar, dass das hier ein Slapstick-Film ist.
    Immerhin: Sein Humor schien sich schon wieder zurückzumelden. Sebastian hob den ›Eulenspiegel‹ vom Boden auf. Wahrscheinlich werde ich über dich nicht mehr lachen können, Till, dachte er. Allerdings hättest du in der letzten Viertelstunde eine Menge Spaß an mir gehabt.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte er aus dem Büro.

20. April, Abend
    Der Abend war ungewöhnlich warm. Sebastian zog die Lederjacke aus. Als er den Marienplatz erreicht hatte, war er völlig durchgeschwitzt.
    Schon von weitem sah er sie.
    »Ha«, begrüßte Mato ihn. Robert grinste nur.
    »Kommst du noch?«
    »Eigentlich nicht. Ist meine Nachricht nicht angekommen?«
    »Doch, aber sie war auf Bretonisch.«
    »Bretonisch!« Mato stutzte. »Darum habe ich gedacht, ich hätte beinahe was verstanden.«
    »Beinahe was verstanden? Du verstehst beinahe Bretonisch?«
    »Na ja, ein Wort eigentlich nur – beinahe.«
    »Welches denn?«
    »Schacheln.«
    »Schacheln«, wiederholte Sebastian nachdenklich. »Und was heißt das auf Bretonisch?«
    »Beinahe.«
    Es war eine gute Idee gewesen, sich zu verabreden. Er brauchte jetzt einfach Ablenkung und war froh, Matos Vorschlag gefolgt zu sein.
    Robert sah zu der Bühne vor dem neuen Rathaus hinüber, wo eine Band in diesem Augenblick ihren Soundcheck beendete. Drei Frauen traten an die Mikrofone. Als die Musiker nach einigen Takten einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten, begannen die Damen das Glitzerzeug zu schwingen, das von ihren Bikinis baumelte. Mato runzelte die Stirn und ging dann zu einem der Bierstände hinüber. Nach einer Weile brachte er ein Tablett mit drei Maß Bier, das er auf den Rand des Fischbrunnens stellte.
    »Dann brauchen wir nicht so oft zu gehen«, erklärte er.
    Robert sah sorgenvoll auf die Biere. »Besonders wenn das Wasser aus dem Brunnen uns die Gläser gleich wieder auffüllt.«
    Man sollte das Bier rasch in Sicherheit bringen.
    »Sagt mal, ab wann ist man eigentlich Päderast? Ab vierzehn?«, fragte Mato.
    Robert kratzte sich am Kopf. »Ja, ich glaube, das ist genau die Altersbeschränkung, ab der man Päderast ist«, erklärte er ernsthaft. »Auto fahren ab achtzehn, rauchen ab sechzehn, Päderast ab vierzehn.«
    »Nein, ich meine, wie alt darf das Mädel sein, wenn ich Päderast bin«, antwortete Mato.
    »Ah, wo ist es denn?« Robert schaute sich interessiert um.
    »Ach, die verschwinden immer so schnell in der Menge, wenn sie noch so klein sind.« Er deutete mit der flachen Hand etwa in Kniehöhe.
    »Also«, fuhr Robert in seiner Erklärung fort, »wenn man ab vierzehn Päderast ist, dann bist du noch zu jung.

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