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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Michael einige Äste entfernt hatte, zog der Rauch nach oben ab.
     
    Wie der Zufall es wollte, saßen Peter und Jacob Hauser nebeneinander unter einem Baum. Verstohlen betrachtete der junge Hofmeister den Fremden von der Seite.
    Der alte Hauser verbarg unter seinem schäbigen grauen Umhang einen ausgezehrten Körper. Seine augen lagen tief in den augenhöhlen, und die Wangenknochen stachen spitz hervor. Der Blick des Mannes hatte etwas an sich, das Peter nicht zu deuten wusste. Zuerst glaubte er, Härte und Wut darin zu erkennen. Doch als Jacob Hauser seine augen auf seinen Sohn richtete, konnte Peter Trauer und Schmerz in ihnen sehen.
    Florian sagte kaum etwas. Sein struppiges Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, und sein Gesicht war mit Pusteln übersät, die er aufgekratzt hatte. In dünne Kleidung gehüllt, saß er neben Johannes und schaute ihm zu, wie der einen Stock anspitzte. Peter nahm seinen Umhang und legte ihn dem Knaben um die Schultern. Florian blickte erschrocken, dann dankbar zu Peter auf.
    »Er erinnert mich an unseren Bruder Nikolaus«, sagte Matthias, und Peter nickte. Doch bevor sie wehmütig an ihr Zuhause
denken konnten, lenkte Friedrich die Brüder von trüben Gedanken ab.
    »Ich habe Hunger! Wenn ich an das Kaninchen von gestern abend denke, dann läuft mir das Wasser im Mund zusammen!«, sagte er und knotete bereits aus der Kordel, die er um seinen Bauch trug, eine Schlinge.
    Peter wollte protestieren, doch auch er verspürte ein Kneifen im Magen und blieb deshalb still.
    Sogleich knüpfte auch Matthias eine Schlinge. Mit verschmitztem Lächeln um die augen beruhigte er seinen Bruder: »Bei diesem Sauwetter wird uns niemand begegnen – höchstens jemand, der ebenfalls wildert.« Dann verschwanden beide Burschen lachend zwischen den Bäumen.
    »Dein Bruder scheint nichts und niemanden zu fürchten!«, stellte Jacob Hauser fest.
    »Ja, so war er immer! Sehr zum Leid unserer Mutter«, erklärte Peter und kratzte sich lachend am Hinterkopf.
    Die aussicht, etwas zu essen zu bekommen, hob auch seine Stimmung, zumal der Regen nachließ.
    Florian half eifrig astgabeln zu finden, mit denen sie das Wild aufspießen konnten, um es zu grillen. Michael alberte herum und brachte den Jungen auf diese Weise sogar zum Lachen.
    »Wo ist seine Mutter?«, wagte Peter den alten zu fragen, der seinen Sohn fürsorglich beobachtete.
    »Tot!«
    Beschämt blickte Peter zu Boden, doch Hauser sprach weiter: »Sie ist einfach umgefallen und war tot!«
    Nach einer kurzen Pause fragte er: »Willst du hören, was geschah?« als Peter nickte, räusperte sich Jacob Hauser und fuhr dann fort: »Es war der Tag, an dem wir den Geburtstag Johannes des Täufers hätten feiern sollen. Wir wollten uns zum ersten Mal nach Wochen von der Feldarbeit erholen, doch die Natur fragte nicht danach.

    Am Tag zuvor hatte die alte aus unserem Dorf für den nächsten abend ein Gewitter vorhergesagt, und wir mussten uns beeilen, das Heu noch rechtzeitig in die Scheune einzufahren. Da sich die alte Berta in ihren Wettervorhersagen noch nie getäuscht hatte, halfen alle mit. auch meine Lizzi, obwohl sie sich seit Tagen nicht wohlgefühlt hatte. Von Tagesanbruch an schufteten alle Bauern mit ihren Frauen auf den Feldern. Die Sonne brannte vom Himmel, doch niemand jammerte. Wir waren dankbar! Der Sommer zuvor war verregnet gewesen, und das Heu war verfault, sodass wir im Winter kaum Futter fürs Vieh hatten.
    Zuerst wurde das Heu von den kleinen Wiesen eingebracht, danach von den größeren. Selbst zur Mittagszeit machten wir keine Pause. Trotzdem schien die arbeit nicht weniger zu werden. Die Frauen rechten das Heu zu großen Haufen zusammen, und wir Männer beluden die Karren. Die größeren Kinder fuhren das Heu zu den Scheunen, und die kleineren wachten über die jüngsten. alle arbeiteten Hand in Hand.
    Plötzlich kam ein Reiter übers Feld galoppiert. Das Pferd war nass geschwitzt, so sehr hatte er es angetrieben. Kaum stand das Ross still, sprang der Mann aus dem Sattel und kam auf uns zugelaufen.
    Er erklärte, dass er im auftrag der Gräfin von Stühlingen käme, die verlangte, dass wir sofort die arbeit ruhen lassen und uns in die Weinberge begeben sollten. Die Gräfin bräuchte leere Schneckenhäuser, um ihr Garn aufzuwickeln. Und deshalb sollten wir unverzüglich Schneckenhäuser sammeln.«
    Peters augen wurden riesengroß. »Was wollte die Gräfin? Schneckenhäuser für ihr Garn?«, fragte er ungläubig. Hauser nickte. »Ja,

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