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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Voosen
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an seinem
Körper herablief. Er faltete die Hände und sprach ein Abendgebet.
Ganz allmählich ließ der Schmerz nach. Und mit dem nachlassenden
Schmerz glitt er hinüber in einen langen, traumlosen
Schlaf.

 
    20
    Polizeipräsidium Wuppertal, Montag,
18. Mai, 19.30 Uhr
    »Der Mord geschah zwar erst vor
einer Woche, aber der Polizeipräsident steht mächtig unter Dampf.
Der Leitende Oberstaatsanwalt macht Druck, weil die Presse mal
wieder verrückt spielt!«
    Fassbinder war sichtlich sauer und
ließ seinen Gefühlen freien Lauf. »Es ist wirklich zum Kotzen! Wir
können uns den Täter doch nicht aus den Rippen schneiden. Also was
gibt's Neues?« fragte er etwas unwirsch in die Runde seiner
versammelten Mitarbeiter. »Liegen euch jetzt die Daten beider
Speed-Date-Agenturen vor?«
    »Ja. Die Daten von Vera Corts hatten
wir uns schon am Freitag gleich nach der Besprechung von den
Kollegen vom Einbruchsdezernat besorgt. Den Abgleich mit der
Düsseldorfer Kundendatei haben wir dann heute durchgeführt«,
antwortete Marc. »Und? Was Brauchbares dabei?«
    »Das wissen wir noch nicht. Aber
etliche Namen tauchen in beiden Dateien auf.«
    »Auch Frauen?«
    »Ja, aber in der Mehrzahl Männer.
Die sind da wohl etwas mobiler … oder gehen auch mal in anderen
Teichen fischen!« fügte Marc scherzhaft hinzu. »Du musst es ja
wissen«, flüsterte ihm einer seiner neben ihm sitzenden Kollegen
zu.
    »Okay, wie viele Leute hast du für
die Befragungen?« fragte Fassbinder. »Vor allem muss es schnell
gehen, bevor noch mehr passiert!«
    »Phillip und Ralph unterstützen
mich. Ich denke, das reicht. Spätestens Ende der Woche wollen wir
damit durch sein.«
    »Dann habe ich aber noch eine Bitte.
Lasst euch von allen Teilnehmern - Männlein wie Weiblein - Fotos,
möglichst Passfotos, aushändigen. Daraus lasse ich von meiner
Sekretärin eine Sammelmappe fertigen, die wir dann Vera Corts und
dem Veranstalter der Agentur in Düsseldorf vorlegen
werden.«
    »Und wozu der ganze Aufwand?« fragte
Marc. »Gerade solche Leute, die sehr viel mit wechselndem Publikum
zu tun haben, verfügen oft über ein fotografisches Gedächtnis und
können sich häufig an besondere Ereignisse gut erinnern, wenn sie
das Bild des Betreffenden vor Augen haben. Wir dürfen nichts
unversucht lassen!«
    »Okay, geht in Ordnung, Chef. Machen
wir!«
    »Hat sonst noch jemand was
rausgefunden?«
    »Ich habe mich mal etwas intensiver
in der Bibel mit dem Buch Daniel und mit dem Evangelium nach Lukas
sowie mit der Literatur über den Erzengel Gabriel beschäftigt«,
meldete sich Phillip Kohlund. »Der Name stammt aus dem Hebräischen.
›Gavri-El‹ bedeutet so viel wie ›Gott ist mein Held‹ oder auch
›Gott ist meine Kraft‹. Das lässt auf seine - Gott gegenüber -
bedingungslose Unterwerfung schließen. Durch ihn erhält er seine
psychische Kraft zu handeln, derartige Gräueltaten durchzuführen.
Von ihm nimmt er seine Befehle entgegen. Er sieht sich als sein
Jünger und sein Vollstrecker. Im Allgemeinen ist Gabriel nur als
Racheengel bekannt. Er gilt aber auch als Todesengel, als Bote und
als Ausleger von Visionen. Das sagt noch nicht viel über unseren
Fall aus. Aber besonders interessant scheint mir, dass er in der
katholischen Kirche meist mit einer Lilie dargestellt wird, in der
bildenden Kunst immer wieder auch als weiblicher Engel. Es könnte
sich also bei dem Täter tatsächlich auch um eine Frau handeln.
Außerdem wollte ich noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen«,
ergänzte Phillip noch, »der für die Motivsuche wichtig sein könnte.
Nach allen mir vorliegenden Quellen regiert der Erzengel die Welt
der Emotionen und das Unterbewusstsein. Blau in all seinen
Schattierungen ist seine Farbe.«
    »Deshalb auch der Schriftzug GABRIEL
mit blauem Filzstift! Es reiht sich ein Puzzleteil ans andere. Du
scheinst Recht zu haben: Unser Täter sieht sich offenbar als
Erzengel Gabriel«, sagte Fassbinder. »Nur in welcher Funktion er
handelt, müssen wir ergründen. Wenn wir sein Wesen, sein
menschliches Wesen erkennen, können wir denken wie er, können wir
seine Motive erforschen. Und wir können, sollte er weiter morden
wollen, seine nächsten Schritte vorausahnen und so vielleicht
weitere Morde verhindern.«
    Als keine weiteren Wortmeldungen
mehr folgten, schloss er die Sitzung und gab routinemäßig den
nächsten Besprechungstermin bekannt.

 
    21
    Unterbarmer Friedhof, Dienstag, 19.
Mai, 7.35 Uhr
    Es schien wieder einer dieser
sonnigen, warmen Maitage zu

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