Gabriel oder das Versprechen
Ihren Mordvorwurf gegenüber meinem Mandanten? Das kann
nun wirklich nicht Ihr Ernst sein!«
»Warten Sie's ab!« fuhr Fassbinder
ihm ein wenig unwirsch in die Parade. »Es gibt da noch ein zweites
Datum. Ihr Mandant hat nämlich auch am 8. April 2006 eine solche
Veranstaltung in Düsseldorf besucht.« Bewusst machte Fassbinder
hier eine Pause, um sein Gegenüber erneut zu einer unbedachten
Äußerung zu provozieren, die dann auch prompt kam.
»Und dass er solche Partys schon vor
drei Jahren besucht hat, das wollen Sie ihm jetzt vorwerfen und
daraus ein Motiv basteln, oder wie soll ich das verstehen?«
Innerlich musste Dr. Wehmayer grinsen. Denn er kannte den
Hauptkommissar schon so lange und wusste, dass solche Pausen immer
dazu dienten, den gegnerischen Anwalt aus der Reserve zu locken.
Denn oft genug war es Fassbinder schon passiert, dass der Richter
bei der Vorführung eines Beschuldigten zum Erlass eines Haftbefehls
oder später bei einem Haftprüfungstermin die Argumente der
Mordkommission als nicht stichhaltig oder auf Vermutungen basierend
vom Tisch gewischt hatte. Dieses Mal wollte Fassbinder hieb- und
stichfeste Beweise liefern.
»Nein, ganz und gar nicht. Aber es
fällt schon schwer, wieder an einen Zufall zu glauben, dass eine
junge Frau gut zwei Wochen später in Gerresheim ermordet wurde und
zuvor dieselbe Veranstaltung wie Ihr Mandant besucht
hatte.«
Dr. Janhssen wirkte nachdenklich.
Sein Lächeln war gewichen. »Dürfte ich mich ein paar Minuten mit
meinem Mandanten alleine besprechen?«
»Selbstverständlich! Wir gehen so
lange ins Büro. Klopfen Sie bitte an diese Tür, wenn Sie fertig
sind. Der Beamte wird uns verständigen«, antwortete Fassbinder eine
Spur zu freundlich, aber er konnte und wollte seinen Triumph nicht
verbergen.
»Eins zu Null für Sie, taktisch
brillant!« lobte Dr. Wehmayer ihn auf dem Weg zu seinem Büro. »Was
haben Sie denn noch so in petto?«
Er berichtete ihm von dem als
Tatwaffe verwendeten Faustmesser. Über das Thema Gabriel war er ja
bereits hinreichend durch die Medien informiert, staunte aber nicht
schlecht, als Fassbinder ihm die Sache mit dem Anagramm schilderte.
»Wem ist das denn aufgefallen?«
»Der Polizeipsychologin, Svea
Großmann!«
»Chapeau! Großartig. Na, da scheinen
Sie ja mit Lagier den richtigen Fisch an der Angel zu haben. Und
was ist mit seinen Alibis?«
»So weit sind wir noch nicht. Aber
bei den erdrückenden Indizien dürfte das
wohl eher Formsache sein!«
»Na, hoffentlich!« In diesem Moment
klopfte es an der Tür und der Beamte vom
Vernehmungsraum trat ein. »Die Herren wären dann so weit, soll ich
ausrichten!«
»Vielen Dank. Wir
kommen.«
»So, will Ihr Mandant jetzt ein
Geständnis ablegen?« wandte Fassbinder sich gleich beim Betreten
des Zimmers forsch an Dr. Janhssen.
»Warum sollte er? Ihr Tatvorwurf ist
völlig unbegründet. Mein Mandant hat nichts zu gestehen, wie er mir
soeben glaubhaft versichert hat. Auch so ein Faustmesser - das soll
ja wohl die in beiden Fällen verwendete Tatwaffe sein hat er noch nie in der Hand gehabt, geschweige
denn besessen«, konterte Dr. Janhssen, der inzwischen seine normale
Gesichtsfarbe wieder erlangt hatte. »Sie haben uns im Übrigen auch
noch nichts zur Tatzeit gesagt, an denen die Morde geschehen sind.
Also, wann haben die Morde stattgefunden?«
»Wie Sie wissen, beschuldigen wir
Ihren Mandanten des dreifachen Mordes. Die am weitesten
zurückliegende Tat datiert vom 23. April 2006, einem Sonntag. Das
Verbrechen fand morgens zwischen 11.00 und 12.00 Uhr nach dem
Besuch des Gottesdienstes in der Wohnung des Opfers statt. Der
erste Mord in Wuppertal geschah dann ebenfalls an einem
Sonntagvormittag nach dem vom Opfer besuchten Gottesdienst - etwa
zur gleichen Tageszeit. Es war der 10. Mai 2009. Der jüngste Mord
datiert vom letzten Dienstag und wurde in Elberfeld in der
Calvinstraße begangen, und zwar zwischen 13.00 und 13.30 Uhr.«
Jetzt meldete sich erstmals Lagier zu Wort, der bis dahin konstant
geschwiegen hatte, wie mit seinem Anwalt verabredet. »Zum ersten
Zeitpunkt kann ich natürlich ohne meine Unterlagen nichts sagen.
Sonntags stehe ich immer spät auf und schaue mir - als politisch
interessierter Mensch - dann regelmäßig den Presseclub von 12.00
bis 12.45 Uhr an.«
»Zeugen?« funkte Fassbinder
dazwischen. »Natürlich nicht, ich bin seit meiner Scheidung wieder
Single und schlafe normalerweise alleine! Aber ich kann Sie
beruhigen«, fügte er triumphierend
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