Gabriel oder das Versprechen
vorangegangenen Besprechungen
gesagt, der Täter will uns Hinweise geben. Die weißen Lilien
deuten, nachdem was ich gelesen habe, auf den Todesengel Gabriel
hin. Was aber ist mit den rosafarbenen Rosen? Sollen sie unsere
Ermittlungen auf das Bistro lenken? Und auch die jeweils neun
Einstiche könnten als entsprechender Hinweis zu verstehen sein. So
wäre auch zu erklären, warum es bei dem Gerresheim-Mord nur drei
Einstiche gab, denn damals gab es noch keinen Bezug zu den drei
Neunen, einem Bestandteil des Wuppertaler Bistro-Logos.«
»Danke, Phillip. Scheint mir ein
guter Gesichtspunkt zu sein. Das mit den Rosen solltest du weiter
verfolgen. Schau dir daraufhin noch mal das Bistro an!« Ganz
unerwartet stand Svea Großmann plötzlich auf und ging nach vorne an
die Flipcharts. Sie nahm einen der Filzstifte zur Hand und strich
im Namen von »B. Lagier« das »g« durch und schrieb unter den
Namenszug ein großes »G«. Nacheinander strich sie so sämtliche
Buchstaben durch und notierte jeweils einen entsprechenden
Buchstaben darunter, bis in großen Buchstaben der Name GABRIEL zu
lesen war.
Atemlose Stille. Dann redeten - wie
auf Kommando - alle durcheinander. Satzfetzen wie »gibt's doch
nicht« und »unglaublich« oder »nicht zu fassen« schwirrten durch
die Luft.
»Zufall?« stellte Fassbinder die
Frage in den Raum, »oder gar ein weiterer, vielleicht sogar der
entscheidende Schlüssel zum geheimen Verlies, um deine Metapher zu
zitieren«, wandte er sich an Svea, die immer noch neben dem
Flipchart stand, einerseits triumphierend, aber andererseits doch
auch noch Zweifel hegend. »Eines ist auf jeden Fall klar«, fuhr er
mit seinen Überlegungen fort, »jetzt werden wir uns auf diesen
Bruno Lagier stürzen und gnade ihm Gott, wenn er unser Mann ist!«
Fassbinder bat Marc und Phillip, alle notwendigen Informationen
über Lagier zusammenzutragen, um so möglichst unverzüglich die
Festnahme durchführen zu können.
»Sollen wir ihn festnehmen oder
sollen wir die Kollegen in Düsseldorf bitten?« fragte
Marc.
»Nee, das lass uns mal selbst
machen. Den Triumph sollten wir uns nicht nehmen lassen. Ich komme
gleich rüber zu euch. Habt ihr heute Abend Zeit?«
»Eigentlich hatte ich meiner Frau
versprochen, heute mal früher nach Hause zu kommen … Aber das lass
ich mir natürlich nicht entgehen!« meinte Phillip. »Und du
Marc?«
»Ist okay, Chef. Ich komm natürlich
auch mit!«
»Gut, dann bis gleich.«
Seine Mitarbeiter verließen den
Raum. Svea Großmann und er blieben allein zurück.
»Alle Achtung, Svea, verdammt gut
zusammengepuzzelt. Auf so einen Gedanken mit dem Anagramm muss man
erst einmal kommen!«
»Vielleicht habe ich da als
Psychologin den anderen gegenüber einen kleinen Vorsprung.
Wahrscheinlich kann ich mich besser in die Denkweise des Täters
hineinversetzen. Und ich lasse mich bei allen meinen
Überlegungen ganz stark davon leiten, dass
er uns Hinweise geben will…«
»Wollen wir hoffen, dass du Recht
hast. Vielleicht erwischen wir ihn noch heute. Sonst sicherlich
morgen früh.« Und mit einem »Tschüss Svea, schönen Abend!«
verabschiedete er sich von ihr. »Viel Erfolg, Chef. Dann bis
morgen!« Die Uhr zeigte 19.40 Uhr. Marc hatte inzwischen sämtliche
erforderlichen Informationen aus dem Zentralcomputer geholt. Lagier
war in Wuppertal-Vohwinkel, im Heinrich-Bammel-Weg 2, gemeldet.
Über das Festnetz wählte Marc seine Nummer. »Ja, bitte?«
»Hier ist Schmidthuber. Mit wem
spreche ich?«
»Lagier, Bruno Lagier! Wer ist denn
dort?«
»Schmidthuber. Ist da nicht
Martens?«
»Nein, Lagier!«
»Oh, Entschuldigung, da muss ich
mich verwählt haben!«
28
Heinrich-Bammel-Weg 2, Donnerstag,
21. Mai, 20.10 Uhr
Fassbinder hatte den Wagen bereits
vorfahren lassen. Mit eingeschaltetem Blaulicht ging's durch die
Talsohle in Richtung Westen. Unter der Schwebebahntrasse fuhren sie
in Vohwinkel durch die Kaiserstraße bis zur Endhaltestelle. Von
hier aus waren es nur noch zwei Minuten bis zum Heimich-Bammel-Weg.
Für den Rest der Strecke schaltete der Fahrer deshalb das Blaulicht
aus. Sie klingelten in Parterre, wiesen sich dem verdutzten Mieter
gegenüber aus und stürmten die Treppe hinauf in den dritten Stock.
Aus der Wohnung Lagiers drang die Stimme des
ARD-Nachrichtensprechers. Der Summer für die Haustür wurde gedrückt
und gleichzeitig die Wohnungstür geöffnet. Völlig überrascht sah
Lagier sich den drei Beamten und ihren schussbereiten Pistolen
gegenüber. Fassbinder wies
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