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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Einheimischen gesprochen, um ein Gefühl für Schottland zu bekommen.
    Während sie mit der Bahn von Inverness nach Ullapool fuhr, hatte sie sich plötzlich einsam und verlassen gefühlt, hatte durch das Fenster die hügelige Landschaft betrachtet und erkannt, dass sie noch nie in einem schöneren Land gewesen war. Hier fand sie alles, was ihr Herz begehrte: halb verfallene Schlösser, eine faszinierende Geschichte, alte Ruinen, dunkle Felsenküsten unter gelblichem Moos und grünem Gras, schneeweiße Möwen, aquamarinblaue Buchten, goldene Strände, zahllose winzige Inseln mit verlassenen Klöstern, Friedhöfen und Burgen, Heidekraut auf den Hügeln, neblige Morgenstunden und helle Sterne am klaren Nachthimmel.
    Nun wusste Juliette, woher all die Märchen stammten, stellte sich Elfen, Kobolde und Feen in den dichten grünen Wäldern vor. Wenn sie die großen Pilze auf einer Wiese lange genug anstarrte, würden vielleicht Naturgeister unter den Hüten hervorlugen. In diesem Land wurden immer noch Lords und Ladys geboren.
    Seit der Landung in Edinburgh befand sie sich in einer seltsamen Stimmung. Auch abgesehen von ihren neuen Talenten, erschien ihr das Leben unwirklich. Sie glaubte fast, sie wäre in einen ihrer Träume geraten.
    Im Zug oder im Auto war sie durch Gegenden gefahren, die sie, das hätte sie schwören können, in diesen Träumen bereits gesehen hatte. Gab es so etwas wie genetische Erinnerungen? Hatte sie gewisse Regionen mit den Augen ihrer Ahnen betrachtet? Ihre Eltern stammten beide von schottischen Vorfahren ab. In ihrem Blut spürte Juliette den Reichtum dieses Landes. Deshalb hatte sie sich diese Reise gewünscht, seit sie neun Jahre alt gewesen war, und für ihre Dissertation das Thema der schottischen Geschichte und Kultur gewählt.
    Aber in der Stimme des alten grünen Landes, die nach ihr rief, schwang etwas Bedrohliches mit. Kein Sirenengesang, eher das unheimliche Flüstern von Gespenstern, Echos aus der Vergangenheit. Die Geister schienen mit Skelettarmen nach ihr zu greifen, aus nächtlichen Schatten oder grauen Morgennebeln. Manchmal kämpfte sie mit den Tränen.
    Über ihrem Kopf knackte eine Sprechanlage, und der Kapitän kündigte an, die Fähre würde den Hafen in zehn Minuten erreichen. Juliette wandte sich von dem Fenster ab, an dem sie seit der Abfahrt aus Ullapool gestanden hatte, und stieg die Treppe zum unteren Deck hinab.
     
    Noch hatten sie ihn nicht gesehen. Weder in den Straßen von Ullapool, wo er sie beobachtet hatte, noch an Bord der Fähre. Daniel konnte sich sehr gut verbergen. Notfalls wurde er unsichtbar, aber er wusste auch, mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Meistens musste er seine Fähigkeiten gar nicht nutzen. Er stellte sich hinter ein Bücherregal, zog sich die Kapuze seiner Jacke über den Kopf oder verbarg sein Gesicht hinter einer Zeitung. Und er registrierte alles, worauf es ankam, belauschte Gespräche, sammelte sämtliche Informationen, die er für die Verwirklichung seines Planes brauchte.
    Aufmerksam hatte er beobachtet, wie Juliette Anderson das Auto bei der Leasingfirma ablieferte, in den Zug stieg und dann an Bord der Fähre ging. Ihre zierliche Gestalt bewegte sich mit elfengleicher Grazie, als wollte sich ihre Sternenengelnatur auf die Weise bemerkbar machen. Überall folgten ihr zahlreiche Blicke. Das schien sie nicht wahrzunehmen. Sie war so schön wie Eleanore Granger, mit klarer, feinporiger Haut, unnatürlich leuchtenden Augen und einer winzigen Stupsnase. Die neue Kleidung, die sie gekauft hatte – bei diesem Gedanken musste er grinsen – passte ihr wie angegossen und zeichnete alle lockenden Kurven nach.
    So auszusehen war gefährlich. In den Jahrtausenden seiner Existenz zwischen irdischen Jägern und ihren Opfern hatte Daniel die ungeheure Selbstsucht und Grausamkeit der männlichen Menschheit kennengelernt.
    Was ihn selbst betraf- er wusste, dass er den Sternenengel nicht auf unziemliche Weise anfassen durfte. Damit würde er sein eigenes Todesurteil unterzeichnen. Und so gestattete er sich erst gar keine Gelüste, während er Juliette im Auge behielt. Außerdem beobachtete er Gabriel Black, den Erzengel.
    Irgendwie waren Gabriel und sein Sternenengel auf dieselbe Fähre geraten, und nun steuerten sie dasselbe Ziel an. Das verblüffte Daniel nicht, aber es enttäuschte ihn. Einen solchen Ort und diesen Zeitpunkt hätte er nicht gewählt, um sich dem Sternenengel zu nähern.
    Er hatte auf etwas mehr Zeit gehofft. Bei der Lektüre von

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