Gaelen Foley - Amantea - 01
Allegra traurig. Darius verstand ebenso wenig wie sie die Zurückweisung durch Lazar, den er geradezu angebetet hatte.
Während ihr kleines Gefolge den sonnigen Hügel hinauf- fuhr, rochen sie auf einmal Feuer. Gleich darauf vernah- men sie zornige Rufe und Schreie, als sie sich einem Dorf näherten. Allegra klopfte an den Kutschenverschlag.
„Was ist hier los? Brennt es irgendwo?“ rief sie.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie das Dorf Collina kannte. Schon oft hatte sie Arzneien für die Kranken hier- her gebracht. Die Kutschen fuhren an den Straßenrand. Doch noch bevor sie ganz anhielten, erkannte Allegra bereits, was geschah. Vor Entsetzen riss sie die Augen auf.
Die Bewohner von Collina waren dabei, einen Mann auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.
Bevor Darius sie aufzuhalten vermochte, sprang Allegra aus der Kutsche und eilte zum Pöbel, der sich versammelt hatte.
„Hört auf! Hört auf!“ schrie sie außer sich.
Die Dorfbewohner drehten sich zu ihr um.
„Das ist Signorina Allegra“, sagte jemand überrascht.
„Was tut ihr hier?“ wollte sie wissen. „Das ist doch Wahnsinn!“
Die Leute traten beiseite, um ihr Platz zu machen.
„Sie hat uns unseren König zurückgebracht“, hörte sie jemand murmeln.
„Sie hat uns Lazar zurückgebracht ...“
„Bernardo sagt, dass sie das Leben des Königs gerettet hat ...“
In diesem Moment traten zwei große Männer aus ei- ner nahe gelegenen Scheune und zogen das wild um sich schlagende und fluchende Opfer mit sich.
Allegra erschrak, als sie ihren früheren Verlobten er- kannte. Furchterfüllt blickte sie sich um und überlegte verzweifelt, was sie sagen könnte, um die Leute von einem Mord abzuhalten.
Als Domenico sie unter dem Volk stehen sah, begann er hilflos zu jammern.
„O Gott! O mein Gott, lass nicht zu, dass sie mich verbrennen, Allegra! Hilf mir!“
Einer seiner Wächter schlug ihm hart ins Gesicht, und Domenicos Schreie verstummten. Allegra schaute in die Gesichter der Umstehenden. Als die Menge still wurde, war nur das Züngeln der Flammen, das Knacken des Holzes und das Klirren eines Pferdegeschirrs zu hören.
„Hat uns unser Heiland nicht gesagt, unsere Feinde zu lieben und die andere Wange hinzuhalten?“ fragte Allegra in die Stille hinein.
„Dieser Gouverneur hat drei unserer Söhne verbrennen lassen!“ rief eine alte Frau. „Er soll dasselbe Schicksal erleiden!“
„Ganz recht!“ schrien viele.
Domenico blickte Allegra an und formte stumm ihren Namen mit dem Mund. Er hatte zu große Angst, um ihn laut auszusprechen.
„Das dürft ihr nicht tun“, sagte sie so gebieterisch, wie sie konnte. „Euer König würde das nicht gestatten. Wollt ihr denn eurem König missfallen? Hier möchte doch nie- mand Lazar di Fiore verärgern. Das wäre auch nicht sehr klug.“
„Das stimmt“, meinte einer der früheren Piraten hinter ihr.
Die Dorfbewohner sahen sich an.
Allegra befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen und zwang sich zum Weiterreden. „Dieser Mann hat ganz Amantea ein großes Unrecht angetan – nicht nur eurem Dorf. Der König hat das Recht, ihn zu verurteilen. Ihr habt es nicht.“
Sie merkte, dass die Leute überlegten.
„Wann kommt er?“ rief einer.
„Bald“, erwiderte sie mit klopfendem Herzen. „Hört mir zu. Ihr müsst es eurem König überlassen, Domenico Cle- mente zu bestrafen. Verlasst euch darauf, dass er es tun wird.
Seine Majestät dient der Wahrheit. Vergesst niemals, dass er von Gott berufen worden ist. Lasst also meine Wachen Viconte Clemente mitnehmen und dem König übergeben.“
„Er muss bestraft werden!“
„Aber nicht auf diese Weise, liebe Leute“, erklärte Al- legra und sah sich ruhig in der Runde um. „Keine weitere Vendetta. Wenn wir jemals Frieden auf dieser Insel finden wollen, müssen wir jetzt damit beginnen. Sofort.“
Sie sahen sich gegenseitig an.
„O Gott, bitte!“ presste Domenico mit zitternder Stimme hervor.
Allegra schaute über ihre Schulter zu den Piraten und stellte fest, dass auch sie den Gefangenen böse anstarrten. Ihr wurde bewusst, dass auch sie auf Rache sannen, da er ihre Kameraden, die mit Mr. Jeffers auf der Insel geblieben waren, auf brutalste Weise gefoltert und umgebracht hatte.
„Meine Herren“, sagte sie bedeutungsvoll in ihre Rich- tung.
Unschlüssig sahen die Männer sie an. Ihre gebräun- ten Gesichter wirkten unter ihren neuen Uniformkappen schroff und abweisend.
„Lasst uns heute keine Versprechen brechen“, sagte Al-
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