Gaelen Foley - Amantea - 02
vernünftig bleiben.“
„Sie und vernünftig?“ reizte er sie.
Serafina warf ihm ein zuckersüßes Lächeln über die Schul- ter zu. „Oh, aber denken Sie daran, dass Sie nicht mehr in meiner Nähe sein dürfen, wenn die Anstandsdamen meiner Mutter eintreffen. Leider hat sie sich diesmal meinem Vater! gegenüber durchgesetzt.“
Daraufhin ging sie aus der Bibliothek und ließ die Tür weit offen.
Sofort wirbelte ein Windstoß alle mühselig geordneten Papiere durcheinander.
„Verdammt“, knurrte Darius und versuchte, sie festzu- halten – ohne Erfolg. Sie flatterten im Zimmer herum und schwebten dann zu Boden.
Er sah der Prinzessin hinterher, die mit schwingenden Hüf- ten den Gang entlangeilte. Draußen im Freien schimmerte ihr Haar im Sonnenlicht.
„Darius, es ist ein wunderbarer Tag!“ rief sie begeistert.
Sehnsüchtig blickte er ihr nach. Sie wusste nicht, dass er sie beobachtete, doch ihr unbeirrbarer Glaube ließ sie wei-
terhin daran festhalten, dass er eines Tages zu ihr kommen würde, um mit ihr zusammen zu sein.
Mein Gott, wie sehr er sich nach einem sorglosen Leben mit ihr sehnte!
Als sie so im Sonnenschein dastand, hätte sie die Göttin der Liebe sein können. Beinahe glaubte Darius, dass sie ihre Hand zu öffnen und ihm den Reichtum der Natur zu schen- ken vermochte. Sie war stark, stolz und rein – all das, was er brauchte, was er begehrte.
Und nicht haben konnte.
Nein, er würde sterben, ohne jemals von jemand gekannt und geliebt worden zu sein.
Mit wenigen Schritten stürmte er zur Tür und schlug sie zu. Dann blieb er zitternd in seinem eigenen Gefängnis stehen.
7. KAPITEL
Serafina verbrachte den Nachmittag damit, Heilpflanzen für ihre Kräutersammlung zusammenzutragen. Das war wenigs- tens eine sinnvolle Beschäftigung.
Mit einem Schemel, der ihr als Tischchen diente, saß sie im hohen Gras, ein breitkrempiger Strohhut schützte ihr Gesicht vor der heißen Nachmittagssonne. Um sie herum flatterten Schmetterlinge, und Margeriten wehten im warmen Wind. Sie blätterte in ihrem Botanikbuch und versuchte, Darius Santiago aus ihren Gedanken zu verbannen.
Warum verhielt er sich so? Verletzte er sie absichtlich, um sie aus seiner Nähe zu verbannen? Ihre Absicht war doch nur, ihm zu helfen. Es gab so vieles, was sie ihm geben wollte, und er weigerte sich, es anzunehmen.
Ruhelos stand sie auf und bedeckte den Korb mit einem Tuch, in den sie die Kräuter gelegt hatte. Barfuß ging sie in Richtung des Waldes. Dort hatte sie einen Bach entdeckt, an dessen Ufer sie noch mehr Veilchen pflücken wollte.
Obwohl sie nicht gern allein war, musste sie zugeben, dass die Stunden, die sie unter blauem Himmel verbrachte, zu den friedlichsten zählten, an die sie sich erinnern konnte. Seit ihrer Verlobung war das gesellschaftliche Leben ihr wie eine einzige Hetzjagd vorgekommen.
Ihr zukünftiger Gatte war wahrhaftig ein Tyrann. Der Preis für seinen Schutz war völliger Gehorsam ihrerseits. Und sie konnte die nagende Sorge nicht abschütteln, dass ein stän- diges Leben der Unterwerfung sie auf Dauer zerbrechen würde.
Rasch schob sie diese Gedanken beiseite und pflückte im Vorbeigehen ein Gänseblümchen.
Es gefiel ihr, so oft wie möglich barfuß herumzulaufen. Die bloßen Fußsohlen auf der Erde gaben ihr das Gefühl, mehr mit der Natur verbunden zu sein.
Sie wünschte, Darius wäre hier, um mit ihr den Tag zu genießen.
Bin ich noch immer in ihn verliebt? Bin ich ein hoffnungs- loser Fall?
Sie schaute in den azurblauen Himmel hinauf und beo- bachtete einen Falken, der in der Luft kreiste. Er ließ sie an Napoleons kaiserlichen Adler denken, und auf einmal sah sie statt der schönen Wiese ein Schlachtfeld mit toten Soldaten und verbranntem Gras.
Serafina schloss die Augen, um das Bild zu verscheuchen.
Wenn es in ihrer Macht lag, einen Krieg zu verhindern, wollte sie alles dafür tun. Sie war keine trojanische Helena, die wegen ihres Geliebten ihr Volk betrog.
Da sie eine Aufgabe zu erfüllen hatte, konnte weder sie Darius noch er sie retten. Das wusste sie. Dennoch quälte es sie, zwischen ihrem Pflichtgefühl und der Liebe zu Darius zerrissen zu sein. In Wirklichkeit sehnte sie sich nach nichts mehr, als einmal in ihrem Leben den Nektar wahrer Liebe zu kosten.
Darius verbrachte den ganzen Nachmittag mit einem Be- richt an Zar Alexander und die russische Regierung. Dieses Schriftstück sollte eine wichtige Rolle in seinem Plan spie- len. Es enthielt sowohl alle Fakten über
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