Gaelen Foley - Amantea - 03
sanfte Rocco wirkte sehr mitgenommen. Mateo schien so erzürnt, dass er kaum sprechen konnte. Überhaupt zeigten sich die Brüder seltsam still.
„Und wo ist Gianni?“ fragte Signora Gabbiano plötzlich. „Wo ist mein bambino? Ich will ihn sehen.“
Die älteren Söhne blickten betreten auf den Boden.
„Was geht hier vor? Wo ist Gianni?“ rief die Witwe verängstigt. „Was haben sie mit meinem Kleinen gemacht?“
Zögernd brach Mateo das Schweigen der Brüder. „Gestern Nacht kam ein Mann, der ihn mitgenommen hat.“
„Wer war das?“ fragte Daniela.
„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Er war jung, und der Wärter nannte ihn Conte. Er sagte, er sei auf Anordnung des Kronprinzen hier. Ich glaube, er muss ein Freund von Rafael gewesen sein.“
„Wurde Gianni freigelassen?“ fragte Daniela aufgeregt,
Mateo schaute sie finster an. „Nein. Der Mann gab uns zu verstehen, dass wir Gianni nur Wiedersehen, wenn wir die wahre Identität des maskierten Reiters verraten.“
Bei diesen Worten zerbrach etwas in ihr. Die Zelle wirkte auf einmal unerträglich klein. Erstarrt stand sie da, wäh- rend Signora Gabbiano hysterisch um ihr Kind zu schluchzen begann.
Daniela bemerkte es kaum, so entsetzt war sie. Das hatte sie wahrhaftig nicht vorausgesehen.
Als sie Prinz Rafael gebeten hatte, dem Kind zu helfen, wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, dass er es dazu be- nutzen würde, um die Identität des maskierten Reiters zu erfahren. Er war listiger, als sie angenommen hatte – und skrupelloser.
Signora Gabbiano schob den großen Rocco beiseite, der sie zu trösten versuchte.
Jetzt wandte Daniela sich an Mateo. „Wohin haben sie ihn gebracht?“
„Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte ihr Freund ernst. „Ich glaube, dorthin.“ Er wies zum Fenster.
Ihr Blick folgte seinem Finger. Benommen ging sie zum Zellenfenster und schaute hinaus.
Sie konnte den Galgen auf der Piazza und die schwer be- waffneten Soldaten sehen, die die Menge in Schach hielten. Dahinter zeigten sich die Türmchen von Rafaels Lustschlöss- chen.
Während sie mit halbem Ohr Signora Gabbianos Schluch- zen hörte, schwor sie innerlich Rache.
Rafael di Fiore, dachte sie. Das bedeutet Krieg.
Sie bat die jungen Männer wegzusehen und hob rasch den Saum ihres Unterrocks, um die Sprengsätze und den Feuer- stein hervorzuholen. Daraufhin nahm sie Mateo beiseite.
„Benutze sie um Mitternacht“, befahl sie ihm mit einem eindringlichen Flüstern. „Stelle sie auf den Fenstersims, und sobald du das Zwölf-Uhr-Schlagen hörst, zünde die Lunten an. Zuvor legt ihr diesen Tisch auf die Seite, um euch dahin- ter vor der Explosion zu schützen. Mit diesem Seil könnt ihr euch herablassen und fliehen, während ich unten vor dem Gefängnis die Wachen ablenke. Eure Mutter wartet dann be- reits mit dem Wagen auf euch. Ihr fahrt zur Küste, wo Paolo sein Fischerboot bereithält, um euch zum Festland zu brin- gen. Ich habe eurer Mutter genug Gold gegeben, damit ihr zu euren Verwandten nach Neapel gelangt.“
„Was ist mit meinem kleinen Bruder?“ fragte Mateo, wäh- rend er hastig die Sachen unter einem Strohhaufen auf dem Boden versteckte. „Wir können nicht ohne ihn fort.“
„Ich werde Gianni herausholen“, erwiderte Daniela ent- schlossen und schaute auf das Lustschlösschen in der Ferne. „Nein, das wirst du nicht“, sagte Mateo zornig. „Du solltest nicht einmal hier sein, Daniela. Schließlich sind sie hinter dir her.“
„Ich werde es tun.“ Sie wandte sich nicht zu ihm um, da er ihre Angst nicht sehen sollte. „Ich habe euch in die ganze Sache hineingezogen und werde euch auch wieder heraus- bringen.“
Obgleich er versuchte, ihr gut zuzureden, hörte Daniela nicht auf ihn. Ihre Gedanken waren bereits bei ihrem Feind. Am Abend zuvor war sie in ihrem Element gewesen, als sie so unerwartet auf Prinz Rafael gestoßen war.
Heute Abend musste sie seine Welt des Glanzes und der Lasterhaftigkeit betreten.
Sie wollte den Ball besuchen.
Das Nachmittagslicht fiel auf den Marmorboden in der klei- nen Seitenhalle, wo Orlando sich versteckt hielt. Er presste
den Rücken an die Wand, und seine Miene war kalt, während er aufmerksam der Unterhaltung im angrenzenden Raum lauschte.
„Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, Hoheit“, erklärte der Leibarzt des Königs, „habe ich Seine Majestät zu diesen fünf verschiedenen Zeitpunkten auf Gift hin untersucht. Obgleich die Symptome ähnlich sind, vermochte ich nichts
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