Gaelen Foley - Amantea - 03
erkannte. Sein bedauernswertes Pferd hatte schwer an seinem gewaltigen Körpergewicht zu tragen. Bulbati sah aufgeputzt und lächerlich wie immer aus.
„Sollen wir anhalten?“ fragte Signora Gabbiano.
„Fahren Sie weiter. Vielleicht hat er sowieso keine Zeit.“
„Wahrscheinlich ist er auf dem Weg zu Ihnen“, bemerkte die Witwe.
„Signorina Daniela, welch freudige Überraschung!“ rief der Conte salbungsvoll und brachte sein Pferd zum Stehen, so dass auch Signora Gabbiano den Einspänner anhalten musste.
„Guten Morgen. Wie Sie sehen, befinden wir uns in Eile ...“
„Dann werde ich Ihnen folgen, denn ich war um Ihre Si- cherheit besorgt.“ Bulbati wendete sein Pferd, um neben ih- nen herreiten zu können. Er tupfte sich sein schweißnasses Gesicht mit einem Taschentuch ab und fuhr sich mit der Zunge über die wulstigen Lippen, die Daniela ebenso wenig wie seine kleinen braunen Augen leiden konnte.
„Um meine Sicherheit?“ fragte sie so gelassen wie möglich.
„Signorina Daniela, ich habe gehört, dass letzte Nacht Sol- daten Ihr Anwesen nach diesen schrecklichen Straßenräu- bern, die seit sechs Monaten die Gegend unsicher machen, durchsucht haben.“ Er hielt inne und warf einen angewider- ten Blick auf Signora Gabbiano. „Da ist ja auch die Mutter dieses Wolfsrudels. Die Raubüberfälle Ihrer Söhne haben die ganze Umgebung beschämt, gute Frau.“
Und wen raubst du ständig aus, du korrupter Hund, hätte Daniela am liebsten erwidert. Doch sie hielt sich zurück, da sie wusste, dass er ihr sonst das Leben zur Hölle machen würde. „Ganz im Gegenteil, Conte“, sagte sie stattdessen. „Diese jungen Männer haben unserem Land Ehre gebracht. Jedermann weiß, dass sie nur von den Reichen nehmen, um ihre Beute mit den Armen zu teilen.“
„Wenn Sie zu den Reichen gehören würden, Signorina, würden Sie diese Leute bestimmt anders beurteilen. Ich habe gehört, dass der Anführer noch immer auf freiem Fuß ist. Wer
wohl dieser maskierte Reiter sein mag?“ sagte Bulbati und warf Daniela einen scharfen Blick zu.
Sie schauderte. Bereits früher hatte es Momente gegeben, in denen sie geglaubt hatte, dass der Conte ihr Spiel durch- schaut hatte und sie nur so weit bringen wollte, dass sie ihm ganz und gar ausgeliefert war.
„Es ist sehr freundlich von Ihnen“, sagte sie kühl, „sich um meine Sicherheit Sorgen zu machen, aber es geht mir gut.“
Er wechselte das Thema. „Ich habe gehört, Prinz Rafael sei bei Ihnen gewesen.“
Gleichgültig blickte sie den Conte an. „Das stimmt. Seine Königliche Hoheit führte die Soldaten an.“
Bulbati beugte sich zu ihr, so dass sein Sattel unter sei- nem Gewicht ächzte. „Hat Sie dieser Draufgänger belästigt, Signorina?“
Daniela blickte starr auf die Straße. „Natürlich nicht. Darf ich Sie außerdem daran erinnern, dass Sie vom künftigen König von Amantea sprechen?“
Der Conte schien mit ihrer Antwort zufrieden zu sein. Mit einem leutseligen Lächeln setzte er sich wieder gerade hin. „Ich habe übrigens Nachrichten aus der Stadt, die Sie überraschen mögen.“
„Wirklich?“
„Oh ja, ein kleiner Leckerbissen. Heute Morgen hat sich Seine Majestät ohne vorherige Ankündigung gemeinsam mit seiner Gemahlin und dem kleinen Prinzen Leo auf eine län- gere Reise begeben. Nun ist der Draufgänger während der Abwesenheit des Königs Prinzregent.“
Verblüfft sah Daniela ihn an. Sie hatte das Gefühl, einen Hieb in die Magengrube erhalten zu haben. „Wissen Sie das bestimmt?“
Bulbati genoss sichtlich ihre Überraschung. „Die ganze Insel spricht von nichts anderem.“
Daniela tauschte einen besorgten Blick mit Signora Gab- biano aus. Die Machtübernahme von Prinz Rafael konnte für die verhafteten Brüder nichts Gutes bedeuten.
Dann bemerkte sie den gierigen Glanz in Bulbatis Augen. Wahrscheinlich rechnete er sich schon jetzt aus, wie viel Geld er beiseite schaffen konnte, wenn der königliche Narr auf dem Thron saß.
Ohne König Lazar am Ruder würde ganz Amantea auf ein Chaos zusteuern.
„Wohin, sagten Sie, fahren Sie“, erkundigte sich Bulbati nach einer Weile.
„Ich habe nichts gesagt“, gab sie scharf zurück. Dieser Mann brauchte nicht alles zu wissen. Inzwischen befanden sie sich ganz in der Nähe der Tore zum Gutshof des Conte.
„Oh, ich wollte nicht neugierig erscheinen“, antwortete er beleidigt. „Ich wollte mich nur als guter Nachbar erweisen – das ist alles.“
„Ich fahre in die Stadt“, sagte
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