Gaelen Foley - Amantea - 03
der Tür stand. Dann sah er wieder Daniela an. „Wollen wir ein wenig im Korridor spazieren gehen und uns unterhalten?“
„Ganz wie Sie wünschen.“
Orlando wies auf die Tür. „Nach Ihnen, Contessa Daniela.“
Sie achtete kaum darauf, wohin sie gingen. Vor ihrem in- neren Auge sah sie nur Rafael mit seiner englischen Schön- heit. Wütend erinnerte sie sich an seine Zärtlichkeiten am Abend zuvor. Und er wollte ihr ein Geschenk machen. War all das nun vergessen?
Gereizt schritt sie neben Orlando her, als sie den leeren Marmorgang entlangliefen. Am anderen Ende befand sich ein Zitronenbaum, der in einem Terrakottatopf stand. Das Son- nenlicht fiel auf die Blätter, und die Seeluft spielte mit den Seidenvorhängen, die vor den offenen Balkontüren hingen.
Orlando schwieg. Er besaß eine breitere Stirn und eine schärfer gebogene Nase als Rafael, doch er bewegte sich fast wie er. Daniela war entschlossen, ihm ihren Ärger nicht zu zeigen, und bemühte sich darum, ein Gespräch zu beginnen.
„Ich hatte gar nicht gewusst, dass Seine Hoheit Vettern hat“, bemerkte sie. „Ich dachte, dass alle di Fiori außer Rafaels Vater jenem schrecklichen Mordanschlag auf König Alphonso und Königin Eugenia zum Opfer gefallen waren.“
„Rafael und ich sind nur entfernte Verwandte“, erwiderte Orlando. „Die di Cambio verließen Amantea vor hundert Jahren wegen eines Familienstreits und ließen sich in der Toskana nieder.“
Daniela interessierte sich zwar für die Geschichte der be- rühmten di Fiore, zu denen sie bald gehören würde, doch Orlando schien nicht weiter darüber sprechen zu wollen. Sie hatte auch nicht vor, ihn zu drängen. Jetzt erreichten sie den Balkon, und er bat sie hinauszutreten. Der Duft des Zi- tronenbaums erfüllte die sonnenwarme Luft. Von hier oben bot sich einem der Blick auf die breite Einfahrt, die zu den großen schwarzen Toren der Palastmauer führte. Dort sah sie Soldaten postiert und Kutschen, in denen im Auftrag des Königshauses Gegenstände transportiert wurden.
Orlando legte die Lederschatulle auf das Geländer und schaute Daniela an. „Signorina, in Wahrheit bin ich gekom- men, um mit Ihnen über Ihre bevorstehende Hochzeit zu spre- chen. Sie haben vorhin gesagt, Sie seien eine Freundin des Vaterlandes, was ich Ihnen glaube. Sie wollen das Beste für Amantea und für Rafael.“
„Natürlich will ich das.“
Orlando zögerte und sah in die Ferne. „Ich befürchte, dass mein Vetter einen großen Fehler begeht. Sie müssen verste-
hen, dass meine Verpflichtung zuerst Amantea und König Lazar gilt. Leider wird das, was ich Ihnen zu sagen habe, nicht erfreulich für Sie sein.“
Unerfreulicher konnte es kaum sein als der Gedanke daran, dass ihr Verlobter in diesem Augenblick bei seiner schönen Geliebten weilte. Daniela fühlte sich schrecklich bedrückt. Sie verschränkte die Arme. „Was ist es?“
Orlando sah sie mit ernster Miene an. „Ich befürchte, dass Rafael seine Zukunft zerstört, wenn er Sie heiratet. Es mag sogar zu einem weiteren Bruch in der königlichen Fa- milie kommen, wie es damals geschah, als meine Vorfahren Amantea verließen.“
Verwirrt blickte sie ihn an.
„Ich mag Rafael, das müssen Sie wissen. Aber alle kennen seine Launen. Er ist jemand, der die Dinge oft nicht so ernst nimmt, wie es ratsam wäre. Ich weiß nicht, ob er sich der Kon- sequenzen bewusst ist, die es nach sich ziehen würde, wenn er Sie heiratet. Ich habe ihn zur Mäßigung angehalten, aber der Prinz hört nicht. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.“
Daniela erschrak zutiefst. „Welche Konsequenzen?“
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass König Lazar ihn enterben und statt seiner Prinz Leo zu seinem Nachfolger bestimmen wird.“
„Was sagen Sie da?“ rief Daniela entsetzt. Sogleich dachte sie an Rafaels Worte auf dem Boot, als er ihr von seiner schwierigen Beziehung zu seinem Vater erzählt hatte.
„Kurz bevor die königliche Familie nach Spanien gereist ist, drohte der König Rafael vor dem ganzen Kabinett mit dem Verlust der Krone.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Seine Majestät diese Drohung tatsächlich wahr machen würde“, erwiderte sie entsetzt. „Glauben Sie das? Rafael wäre am Boden zerstört.“
„Nun, er hat seiner Familie bereits so manche Schande bereitet.“
Daniela zuckte zusammen. „Ich glaube nicht, dass König Lazar ihn meinetwegen enterben würde. Zwar mag ich arm sein, doch ich bin aus guter Familie ...“
„Sie wurden wegen
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