Gaelen Foley - Knight 01
das Gefühl, dass du dem Aufseher etwas Ent- setzliches angetan hast“, meinte sie erstickt. „Mir ist egal, was du mit ihm gemacht hast, aber was passiert, wenn dir die Be-
hörden auf die Schliche kommen?“
„Das werden sie nicht. Du brauchst ihn nicht zu fürchten oder jemals wieder an ihn zu denken. Du bist in Sicherheit ... und ich liebe dich.“
Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Lippen zitterten. „Ich hebe dich auch, Robert“, antwortete sie sehr leise. „Ich darf zwar nicht, aber ich tue es.“
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und er nahm sie in die Arme und zog sie an sich. „Du darfst nicht? Natürlich darfst du mich heben, mein kleiner Hohlkopf. Warum solltest du mich denn nicht lieben dürfen?“
„Weil du nie wirklich mir gehören wirst.“
„Ha, und ich habe dich für klug gehalten! Ich gehöre dir mit Haut und Haaren, und das schon seit einiger Zeit, falls du es nicht bemerkt haben solltest.“
„Aber vorgestern wolltest du mich noch hinauswerfen. Das ist es, was mir nicht gefällt. Ich habe keinerlei Sicherheit.“
„Ah, jetzt verstehe ich“, flüsterte er. „Sicherheit also.“
„Ja. Du kannst mich rauswerfen, wann immer ich dich zu langweilen beginne.“
„Wie könnte ich dir nur beweisen, dass du bei mir in Sicher- heit bist, dass ich dich nie wegschicken würde? Vielleicht da- mit?“ Vom Tischchen an ihrem Bett hob er die zerdrückte Fla- sche hoch, die er beim Ausziehen dort abgelegt hatte. Er gab sie ihr. „Hier hast du deinen Beweis, Liebste.“
Sie nahm die Flasche und wendete sie in den Händen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Du hättest sterben können“, flüsterte sie.
„Ja, und ich würde es jederzeit wieder tun, wenn ich dich da- mit beschützen könnte. Gern.“
Wortlos wandte sie sich ihm zu und klammerte sich fest an ihn. Er hörte sie schniefen, und dann fielen ihm ein paar Trä- nen auf die bloße Schulter.
„Ich hatte kein Recht, an dir zu zweifeln. Du bist so stark und hast so viel Geduld mit mir – so viel Misstrauen hast du nicht verdient. Es tut mir Leid, Robert. Ich will nicht undank- bar erscheinen. Ich bin es wohl einfach nicht gewohnt, aber ich glaube, von jetzt an vertraue ich dir.“
„Na, das ist schon mal ein guter Anfang“, flüsterte er und fing eine Träne auf. Sie glitzerte auf seiner Fingerspitze wie ein Edelstein. Das Eis schmilzt, dachte er. Langsam beugte er sich
vor und küsste sie.
Mit einem leisen Stöhnen öffnete sie die Lippen. Er kostete ihren Mund in einem zärtlichen Kuss, einem Kuss, mit dem er sich an sie band, der die dunkelsten Ecken des Universums er- leuchtete, als wäre soeben ein neuer Stern geboren.
Er schmiegte sich an sie, doch als ihn das Verlangen zu über- mannen drohte, beendete er den Kuss. Jetzt, wo er die Wunden kannte, die man dem innersten Kern ihrer Weiblichkeit zuge- fügt hatte, wusste er, dass er sie mit vorsichtiger Zartheit be- handeln musste. Die Zeit war noch nicht reif.
Ihm kam eine blendende Idee. Lächelnd küsste er sie auf den Hals und setzte sich auf. „Ruh dich aus, meine Liebste. Heute Abend habe ich eine wunderbare Überraschung für dich.“
„Was könnte wunderbarer sein als das?“ murmelte sie ver- träumt.
Er wickelte sich eine blonde Haarsträhne um den Finger. „Du wirst schon sehen.“ Er küsste sie auf die Augenlider und sagte ihr, sie müsse jetzt ein wenig schlafen.
Später saß Robert an seinem Schreibtisch in der Bibliothek und schrieb Briefe, in denen er die Vorsitzenden seiner ver- schiedenen Komitees davon in Kenntnis setzte, dass er aufs Land reisen wolle. Bel kümmerte sich unterdessen um den Haushalt. Energisch ging sie von Raum zu Raum und half den Dienstmädchen, die Möbel in Sackleinen zu hüllen. Sie kam gerade durch die Eingangshalle, als der Türsteher einen Brief für den Herzog an Walsh weiterreichen wollte, der ihn dann auf seinem Silbertablett überbringen wollte, doch Bel lehnte derartige Formalitäten ab und übernahm den Brief mit einem Lächeln. Ein guter Grund, bei Robert hineinzuschauen. Mit ei- nem Stirnrunzeln sah sie, dass der Brief aus Mrs. Halls Töch- terpensionat kam.
Einen Augenblick zögerte sie vor der Tür. Was konnte es be- deuten? Irgendein neuer Angriff auf ihren Ruf? Lady Jacinda ging dort zur Schule. Vielleicht hatte es mit ihr selbst gar nichts zu tun. Plötzlich besorgt, dass etwas passiert war, eilte sie in die Bibliothek und legte Robert den Brief vor.
„Das hier solltest
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