Gaelen Foley - Knight 02
spöt- tischen Augen von Lucien Knight.
3. KAPITEL
Eben noch war Lucien durch die Menge geschlendert und hatte die Leute beobachtet, seine angespannte Aufmerk- samkeit hinter einer nonchalanten Miene verborgen. Ihm standen fünf junge Agenten in Ausbildung zur Verfügung, die ihn bei der Operation unterstützten. Vier davon über- wachten jeweils einen Quadranten der Grotte, während Tal- bert, der fünfte, seine theatralischen Talente als Priester un- ter Beweis stellte. Sechs bezaubernde Kurtisanen standen ebenfalls in Luciens Sold, und jede von ihnen kannte ihre Pflichten genau: fremde Agenten mit Wein und anderem verwöhnen und Informationen aus ihnen herauslocken. Die jungen Leute mischten sich unters Volk, brachten in Erfah- rung, was sie konnten, und erstatteten ihm dann am Ende der Nacht Bericht. Lucien schlenderte seinerseits durch die Grotte, behielt alles im Auge und achtete auf geringste An- zeichen, die auf Feinde schließen ließen.
Allerdings konnte ein Mann sich nicht immer auf seine Geschäfte konzentrieren. Das zügellose Treiben ringsum brachte sein Blut zum Kochen. Er brauchte eine Frau, bald. Caro nicht – auf der Herfahrt von London hatte es einen Moment gegeben, ab dem ihn Caro zu langweilen begonnen hatte. Er hatte gerade mit dem Gedanken gespielt, sich ei- ner der gehorsamen Adeptinnen zu nähern – oder auch bei- den – , als ihm das Mädchen aufgefallen war.
Sie trug immer noch sämtliche Kleider. Das hatte seine Aufmerksamkeit als Erstes erregt. Irgendwie schien das nicht ganz richtig. Da ihr Gesicht immer noch im Schatten der Kapuze lag, konnte man nicht erkennen, wer sie war, doch irgendwie war ihm sofort klar, dass sie nicht hier her- gehörte.
Aber das ist unmöglich, dachte er. Er kannte jeden, der in
der Grotte war. Er wusste, was sich dort abspielte. Er hatte alles unter Kontrolle. Unmöglich, dass ein Mädchen seine Sicherheitsvorkehrungen überwunden haben sollte.
Dann war ihm aufgefallen, dass sie allein war, und er hat- te sich mit allen Sinnen auf sie konzentriert. Er hatte beob- achtet, wie sie sich vorsichtig und verstohlen durch die Menge bewegte. Seine Instinkte waren geweckt. Fragte sich nur, welche.
Da er sie näher in Augenschein nehmen wollte, war er ihr durch die Menge gefolgt. Sein Herz begann im Rhythmus des urzeitlichen Jägers zu dröhnen, heiß durchpulste ihn das Verlangen nach einer feurigen Paarung. Etwas Besseres konnte er sich nicht erhoffen, wie er aus bitterer Erfahrung wusste – was er wirklich brauchte, gab es auf der ganzen Welt nicht. Wie alles andere konnte jedoch auch die Liebe simuliert werden. Er wollte festgehalten werden, als wäre er der letzte Mann auf Erden, er wollte sich in einer Frau ver- lieren und die Einsamkeit, die ihn umgab, einen Moment vergessen.
Während er sich näher an sie heranarbeitete, hatte er ih- ren reizvollen Gang bewundert, den züchtigen Schwung ih- rer Hüften. Er hatte sich ausgemalt, wie sie die Kutte ableg- te und sich ihm in ihrer Nacktheit zeigte, doch sie war nur dort stehen geblieben, als suchte sie jemanden. Flüchtig ging ihm durch den Kopf, dass er sie, wenn er sie einholte, entweder festnehmen oder über sie herfallen würde. Darü- ber war er sich immer noch nicht ganz schlüssig, als er dann vor ihr stand und ihr mit einem etwas bösartigen Lächeln den Weg versperrte.
Als sie ihn ängstlich aus den Tiefen ihrer Kapuze an- schaute, entdeckte er, dass sie die blausten Augen besaß, die er je gesehen hatte. Ein so tiefes, traumhaftes Kobaltblau war ihm bisher erst einmal im Leben begegnet: in den Bunt- glasfenstern der Kathedrale zu Chartres. Die Menge rings- um versank förmlich in Bedeutungslosigkeit, während er in die ozeanblauen Tiefen blickte. Wer bist du? Er sagte kein Wort, bat nicht um Erlaubnis. Mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der jede Frau im Raum zu beurteilen hat, fasste er sie sanft, aber fest am Kinn. Mit schreckgeweitetem Blick wich sie zurück.
Darüber wurde seine grimmige Miene ein wenig weicher,
doch sein Lächeln erstarb, als er spürte, wie seidenweich sich ihre Haut anfühlte. Mit der einen Hand drehte er ihr Gesicht ins Licht, mit der anderen zog er ihr die Kapuze he- runter. Lucien stockte der Atem, denn eine solche Schönheit war ihm noch nie begegnet.
Er war bis in die Tiefen seiner Seele erschüttert. Voll Ver- ehrung sah er sie an, hielt den Atem an aus Furcht, die Visi- on könnte sich auflösen, weil sie nur ein Hirngespinst seiner erhitzten Vorstellung
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