Gaelen Foley - Knight 03
Schnurrbart.
Das klingt aber nicht gut, dachte sie, nickte den beiden Männern zu und wünschte ihnen für das neue Jahr alles Gute. Dann kehrte sie nach oben zurück. Der Schuft war die ganze Zeit über in seinem Zimmer gewesen. Warum hatte er nicht reagiert, als sie geklopft hatte? Verbarg er sich etwa vor ihr?
Ein paar Minuten später stand sie wieder vor seiner Tür. „Damien?“ rief sie und klopfte diesmal energischer an. „Ich weiß, dass du da drin bist. Sutherland und MacHugh haben es mir erzählt.“ Sie wartete. „Damien, so antworte doch.“
„Geh weg.“
„Sei nicht kindisch. Bist du krank?“
„Ja.“
„Soll ich einen Arzt rufen lassen?“
„Nein.“
Sie schaute zu Boden, während sie versuchte, aus seiner Stimme Rückschlüsse auf seinen Zustand zu ziehen. „Kann ich dir irgendetwas bringen?“
„Geh weg.“
„Ich gehe nicht weg. Was für eine Krankheit hast du denn?“
Er schwieg.
„Es handelt sich um keine körperliche Krankheit, stimmt’s?“ fragte sie grimmig. „Hast du getrunken?“
Er sagte immer noch nichts.
„Damien, bist du etwa bewaffnet?“
Als sie durch die dicke Tür sein bitteres Gelächter hörte, lief es ihr kalt über den Rücken.
„Lass mich rein!“ rief sie und trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. Sie war außer sich vor Angst, dass er sich et- was antun könnte.
„Verschwinde, Rotkäppchen“, flüsterte er leicht irre, „bevor der böse Wolf dich frisst.“
Sie zuckte zurück und schluckte. Während sie die Tür anstarrte, die verschlossene Barriere, die er zwischen ih- nen errichtet hatte, wurde ihr klar, dass dies der Moment der Wahrheit war, der Moment, auf den es ankam. Der Mo- ment, für den Lord Lucien ihr den Schlüssel gegeben hat- te.
Mein Gott, und dieser geheime Kummer war auch der wahre Grund, warum Damien sich weigerte, von ihr ge- liebt zu werden. Nun war es an der Zeit, dass sie um ihn kämpfte, genau wie er auf Bordesley Green gekämpft hat- te, um ihr das Leben zu retten. Sie rannte den Flur hinab, um den Schlüssel aus ihrem Zimmer zu holen.
Na also. Er hatte sie in die Flucht geschlagen. Damien stand auf der anderen Seite der Tür und lauschte, wie ihre leichten Schritte auf dem Flur verklangen. Ohne Hemd stand er da, schweißbedeckt, im Schlachtfieber, und kämpfte mit aller Macht dagegen an. Er biss die Zähne zu- sammen, um nicht laut ihren Namen herauszuschreien, ließ den Kopf gegen die Tür sinken und schloss erschöpft die Augen, während die Bilder mit atemberaubender Ge- schwindigkeit zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselten, bis ihm schwindlig war. Seltsam, wie er sich in tiefster Seele nach ihr sehnte, während seine Lippen im- mer nur ein kaltes „Geh weg“ hervorstießen. Diese Nacht zerrissen ihn seine Dämonen förmlich, in seinem Innern tobten Seelenqual, Schmerz, Zorn und Schuld. Er versuch- te den Sturm einzudämmen, ihn durch schiere Willens- kraft zu bezähmen, aber es gelang ihm nicht.
Jede Narbe an seinem Körper brannte wie Feuer. All- mählich löste sich sein Panzer aus Eis auf, und er stand hier in diesem Zimmer und drohte still an den Tränen zu ersticken, die zu weinen er sich weigerte. Die Böller in der Ferne klangen wie Artilleriefeuer, und er hätte schwören mögen, dass es näher kam. Wer es wohl war? General Mas- sena? General Soult? Soult könnte er mit Leichtigkeit schlagen, aber Massena war ein gefährlicher Gegner.
„Nein“, murmelte er und begann im Zimmer herumzu- laufen wie ein Tier im Käfig. Es war doch nur ein Feuer- werk, und der Teufel sollte ihn holen, wenn er den Prinzre- genten nicht bei nächster Gelegenheit umbrachte, weil
dieses adlige Mastschwein ihm das antat. Für Prinny war er nicht in den Krieg gezogen. Noch war König George der Monarch, auch wenn er vollkommen übergeschnappt sein mochte. Wie er selbst. Er nahm einen Stuhl und zerschmet- terte ihn an der Wand.
Ah, wie befriedigend, das zersplitternde Holz zu hören! Wenn er nur seine Axt hier hätte! Aber halt, nein, man konnte ihm ja kein scharfes Objekt anvertrauen. Er hatte sie alle weggesperrt, nur für alle Fälle. Einen Moment nahm ihm das die Anspannung, den Stuhl zerstört zu ha- ben, doch dann kehrten die schlimmen Visionen zurück: drei Raben, die an den Innereien seines vielversprechends- ten jungen Fähnrichs herumpickten. An jenem Tag hatte die Fahne fünf Mal den Träger gewechselt, nachdem ein Fähnrich nach dem anderen niedergemäht worden war. Seine Gedanken wirbelten immer
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