Gaelen Foley - Knight 03
erzählen, als ein preußischer Bo- te in die Stadt gejagt kam und sich schnurstracks in Wel- lingtons Hauptquartier begab. Kurz darauf verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Napoleon hatte die preußischen Truppen keine halbe Tagesreise südlich ange- griffen.
Südlich, dachte sie entsetzt, weil ihr einfiel, dass ihr Mann sich mit seiner Truppe ebenfalls im Süden von Brüs-
sel aufhielt. Während sie aufgeregt durch die Eingangshal- le des Hotels lief, versuchten die Offiziere, die sie kannten, sie zu beruhigen, sagten, vermutlich sei weiter nichts ge- schehen, nur ein kleines Scharmützel zwischen Vorposten. Und doch ließ Wellington befehlen, dass sich die Armee für einen umgehenden Marschbefehl bereithalten müsse. Au- ßer sich vor Sorge, wartete sie auf Damiens Rückkehr.
Als er dann endlich kam, war es bereits Abend, und auf das Kopf Steinpflaster des öffentlichen Platzes vor dem Ho- tel fiel stetig Regen. Sie saß in der Eingangshalle auf einem Stuhl, als sie ihn mit MacHugh und Sutherland heranrei- ten sah. Die Männer waren mit Schlamm bespritzt, und von ihren Tschakos troff der Regen herab. Sie sprang auf, ohne sich um das Wetter zu kümmern, und rannte nach draußen, noch bevor er sein Pferd zügeln konnte. Sie blick- te zu den anderen beiden. MacHugh wirkte kampflustig, doch Sutherland schien erschüttert zu sein. Damien sprang vom Pferd und ging auf sie zu, den Tschako abneh- mend. Sie warf sich in seine Arme.
„Geht es dir gut? Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Wart ihr in der Nähe?“
Er schwieg, hielt sie nur einen Moment in den Armen. Seine nassen, schmutzigen Kleider verdarben die ihren, aber das war ihr egal. Er war warm, und sein Kuss schmeckte nach Regen. „Wir haben den Rückzug beobach- tet. Napoleon hat die Preußen in der Luft zerrissen. Ich muss dir mitteilen, dass es eine große Schlacht werden wird, Miranda. Ich kann nicht bleiben.“
„Kannst du denn nicht wenigstens hereinkommen und mit mir zu Abend essen?“
Er winkte ab. „Keine Zeit.“
Diese Dringlichkeit verstärkte ihre Besorgnis. „Habt ihr genug Vorräte? Alles, was ihr braucht?“
Da lächelte er sie an. „Fast“, sagte er bedeutsam und beugte sich herunter, um ihr einen Kuss zu geben. „Geh wieder hinein. Ich muss los.“
„Aber warum? Wellington ist auf dem Ball der Rich- monds. Bestimmt ist es nicht so ernst ...“
„Er muss sich dort zeigen, meine Liebste“, erklärte er, als er sie ins Hotel zurückbrachte. „Wenn er jetzt aufbräche, würde die Stadt in Panik geraten. Die Zivilisten würden
nach Norden fliehen, und das würde die Soldaten demora- lisieren. Aber das alles ist nur eine Finte. Er wird bald zu uns an die Front stoßen. Ich habe Befehl, mit meinem Ba- taillon bereitzustehen, wenn er kommt. Ich weiß nicht, wie lang das alles dauern wird, aber ich versuche, dich so gut wie möglich darüber informiert zu halten, wo ich mich ge- rade befinde. Vielleicht musst du dich nach Antwerpen zu- rückziehen. Ich werde es dich wissen lassen.“
Plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Dies war der Moment, vor dem sie sich so gefürchtet hatte – der Moment des Abschieds. Sie konnte kaum glauben, dass es wirklich so weit gekommen war. Weinend hielt sie sich an ihm fest. „Damien.“
Er zog sie noch einmal in die Arme. „Weine nicht. Ich fle- he dich an, bitte nicht.“
Sie wusste, dass sie jetzt mehr denn je für ihn stark sein musste. Zwar fühlte sie sich, als müsse sie vor Angst und Schmerz in Ohnmacht sinken, als könne sie vor lauter Schwäche in lauter winzige Einzelteile zerfallen, doch ir- gendwie riss sie sich zusammen, schöpfte tief aus ihrem In- nersten die Kraft, um sich einem solchen Mann würdig zu erweisen. Sie schluckte hart und trat einen Schritt zurück, um zu ihm aufzublicken.
Sein Gesicht war verzerrt, und in seinen Augen spiegelte sich seine Qual.
„Ich liebe dich“, hauchte sie. „Wir beide lieben dich.“ Damit nahm sie sanft seine Hand, presste sie auf ihren Bauch und schaute ihn dabei bedeutsam an.
Er blinzelte, als wäre er nicht sicher, ob er sie richtig ver- standen hatte, und dann blieb ihm der Mund offen stehen. „Du meinst ...“
Sie rang sich ein reuiges Lächeln ab und nickte.
„Bist du sicher?“ fragte er.
„Ja.“
„Wann?“
„Im März.“
„O Gott“, erwiderte er benommen. Er nahm sie noch ein- mal in die Arme und hielt sie fest. Sie spürte, wie er zitter- te, obwohl er bei der Aussicht auf die Schlacht kaum mit der
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