Gaelen Foley - Knight 03
creme- weißer Teint, smaragdgrüne Augen. Die ausgeprägte Schönheit sah aus wie Anfang zwanzig. Eilig borgte er sich von einem Zuschauer ein Programm und suchte nach dem Namen der Heldin, die in Der venezianische Schurke spiel- te.
Miss White. Hoffentlich nicht ebenso rein.
Natürlich war das nicht ihr richtiger Name. Sie legten sich immer einen Bühnennamen zu, das wusste er aus sei- ner reichhaltigen Erfahrung mit ihresgleichen. Ganz be- nommen ließ er sich auf dem nächstbesten Sitz nieder und verfolgte wie gebannt das Geschehen auf der Bühne.
Er vergaß all seine Probleme. Sie war eine wahre Augen- weide und spielte ihre Rolle fröhlich, sicher und mit bei- ßendem Witz. Mit einem einzigen Hüftschwung konnte sie bei den Männern im Publikum wahre Begeisterungsstürme entfesseln, worüber Damien schmunzelnd den Kopf schüt- telte. Doch wenn sie lächelte, war auch er wie entrückt. Als das Singspiel vorüber war, zog er eine finstere Miene, denn ohne Miss White war die Bühne wie eine Wüste. Er sank im Sitz zusammen und begann ungeduldig mit den Knien zu wippen. Schließlich kaufte er sich einen Krug Bier und schaute den Akrobaten zu. Er fand ihre Windungen völlig überflüssig, doch verschaffte ihm ihr Auftritt Zeit zum Nachdenken. Als sie die Bühne schließlich verließen, hatte er einen Entschluss gefasst.
Er musste sie haben. Zum Teufel mit der Enthaltsamkeit.
Er war auch nur ein Mann. Einer seiner besten Freunde war gerade gestorben. War das etwa keine hinreichende Entschuldigung dafür, bei einer Schönen der Nacht Trost zu suchen? Er würde das Zusammentreffen so kurz wie möglich halten, die Kerzen dabei brennen lassen – verflixt, er würde ihr sogar eine Waffe geben, wenn sie sich damit vor ihm schützen könnte –, aber wenn er sie nicht bekäme, würde er sterben.
Im Geist hatte er bereits alles arrangiert. Morgen früh würde er sein Mündel in Yardley besuchen, am Nachmittag dann Colonel Morris in der Kaserne. Heute Nacht jedoch bestand seine einzige Aufgabe darin, diese üppige Kreatur in sein Hotel und direkt in sein Bett zu locken.
Sicher wird die Konkurrenz mächtig, überlegte er. Zwei- fellos hatte sie jede Menge Bewunderer, aber er war bereit, mehr zu zahlen, als er sich eigentlich leisten konnte, und sogar seinen neuen Titel ins Spiel zu bringen, wenn er sie damit beeindrucken könnte.
Als Nächstes tauchte sie bei den Tänzen im großen Fina- le auf, mit dem die Abendunterhaltung beschlossen wurde. Auf der Bühne tanzten etwa ein Dutzend junge Mädchen, aber er konnte die Augen nicht von der dunkelhaarigen Schönen abwenden. Wie verzaubert saß er da, erfüllt von wachsendem Begehren und Verlangen. Während er das Mädchen von Ferne musterte, freute er sich schon darauf, jede Kurve ihrer Gestalt, ihres Gesichts mit Händen und Lippen zu erkunden. Sie hatte ein energisches Kinn und dunkle, scharf gezeichnete Augenbrauen, die sich deutlich von ihrem cremeweißen Teint abhoben und ihrem Gesicht etwas Mutwilliges verliehen. Ja, sie hatte den Teufel im Leib – und ihm gefiel nichts besser als ein freches Mädchen im Bett.
Er war enttäuscht, als der Tanz zu Ende war und die Tänzerinnen von der Bühne eilten, ehe sie mit dem Rest des Ensembles zurückkehrten, um den Beifall entgegenzuneh- men. Irgendwie wurde Miss White noch schöner, als die Menge applaudierte. Anmutig streckte sie die Hände aus und knickste dann wie vor einer königlichen Hoheit. Als sie sich wieder aufrichtete, ließ sie den Blick langsam über das Publikum schweifen.
Staunend sah Damien, dass in ihren Augen Tränen
glänzten, was nicht recht zu ihrem strahlenden Lächeln passen wollte. Für diesen Moment lebst du, meine Schöne, nicht wahr? Sie schien die warme Zuneigung der Menge aufzusaugen wie eine Rose den Sonnenschein. Ganz still saß er da, den Kopf auf die Hände gestützt, und plötzlich hatte er das Gefühl, dass sein Herz, das er längst tot ge- glaubt hatte, für dieses Mädchen zu schlagen begann. Ihr Gesicht war so ernsthaft. Er überlegte, wie er sich ihr wohl am besten näherte, als ihr Blick plötzlich auf ihn fiel – und hängen blieb. Quer durch das Theater schauten sie einan- der an, und es verschlug ihm den Atem.
Damien konnte sich nicht mehr rühren, sein Herz häm- merte wie wild, so groß war der Zauber ihrer smaragdgrü- nen Augen.
Plötzlich wandte sie den Blick ab, während ihr die Röte in die Wangen stieg. Doch falls er sie aus der Fassung ge- bracht hatte, erholte sie
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