Gaelen Foley - Knight 03
sich rasch wieder, warf der Menge noch eine letzte Kusshand zu und eilte dann von der Büh- ne.
Der Vorhang fiel, die Jagd begann.
Schon war er auf den Beinen und kämpfte sich nach draußen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letz- ten Mal bei einem Mädchen gelegen hatte, das noch errö- ten konnte.
Eilig wichen ihm die Leute aus, wenn sie ihn kommen sa- hen, den lodernden Blick auf den Bühneneingang gerich- tet, als handelte es sich dabei um eine spanische Festung, die es zu erobern galt. Als er bemerkte, dass ein Mann nach dem anderen dort zurückgewiesen wurde, begann er grim- mig zu lächeln.
Vielleicht waren die anderen bereit, sich mit einem Nein zufrieden zu geben, aber er würde sich nicht aufhalten las- sen. Er ließ die anderen am Haupteingang stehen und machte sich auf die Suche nach irgendeiner Hintertür.
Ebenso erschöpft wie erfrischt von dem sechsstündigen Auftritt, nahm Miranda die drei Shilling Abendgage ent- gegen, verabschiedete sich von Mr. Chipping und der Trup- pe und verließ die Garderobe, in der Hand die letzten Res- te eines Wurstbrötchens. Nach dem anstrengenden Abend war sie förmlich am Verhungern. Big Dale, der „Schurke“
des Ensembles – ein zartfühlender Riese von einem Mann – hatte ihr von seinem guten Burgunder abgegeben, damit ihr auf dem langen Heimweg warm wurde.
Wieder in ihrem groben Wollmantel und den schwarzen Halbstiefeln, ging sie zur Hintertür des Theaters, um so den ganzen Männern zu entgehen, vor allem den Soldaten, die, wie es nun einmal Soldatenart war, den Mädchen vor- gestellt werden wollten. Obwohl sie immer noch beflügelt von ihrem Erfolg war, erschöpfte sie die Aussicht auf den langen Heimweg, denn die Beine waren ihr nach dem an- strengenden Ballett jetzt schon schwer. Am Bühnenein- gang lärmten jede Menge Spitzbuben, die sie mit Freuden nach Hause gefahren hätten, doch konnte sie es nicht ris- kieren, dass irgendjemand eine Verbindung zwischen Miss White vom Pavillon-Theater und Miranda FitzHubert von der Mädchenschule Yardley zog.
Angst durchfuhr sie, als sie an ihre Verabredung mit Mr. Reed und dessen Birkenrute dachte, doch weigerte sie sich, sich das warme Triumphgefühl nehmen zu lassen, das der Applaus in ihr hervorgerufen hatte.
Heute Abend haben sie mich geliebt, dachte sie glücklich und nahm einen großen Bissen von ihrem Brötchen. Sie schob die schwere Tür mit der Hüfte auf und trat hinaus in die kalte Winternacht. Schnee wirbelte im Schein der Wandlaternen. Miranda schickte sich an, die Hintertreppe hinunterzugehen. Plötzlich hörte sie auf zu kauen und er- starrte.
Er stand vor ihr.
Der große, unglaublich attraktive Offizier aus dem Pub- likum, der sie so intensiv angestarrt hatte. Er stand unten an der Treppe, lässig gegen den Pfosten gelehnt, einen Fuß auf die unterste Stufe gestellt. Mit den Fingern trommelte er auf das hölzerne Geländer; dann schaute er auf, sah sie und hörte auf zu trommeln.
Ihre Blicke trafen sich. Wieder reagierte sie körperlich; es überlief sie in heißen und kalten Wellen. Auf der Bühne war sie unter seinem Blick rot geworden bis zu den Zehen- spitzen, fasziniert und doch verängstigt. Er kam ihr vor wie ein großer Wolf, der sich an eine Herde Schafe heran- geschlichen und sich eines davon zum Abendessen ausge- sucht hatte – nur dass Miranda nicht die geringste Absicht
hatte, sich verschlingen zu lassen. Schließlich war es kein Geheimnis, was er von ihr wollte.
Zögernd blieb sie auf der dritten Stufe von oben stehen; das Herz schlug ihr bis zum Hals. Er war ein bemerkens- werter Krieger von strenger männlicher Schönheit, über eins achtzig groß und muskulös. Ein Mann wie er, mit einer derartigen Aura natürlicher Überlegenheit, könnte sie schon in Versuchung führen, wenn sie nicht Acht gab. Sie beschloss, dieses herrliche Wesen ebenso zu ignorieren, wie sie alle anderen Männer nicht beachtete. Es schien ihr ris- kant, sich ihm weiter zu nähern, vor allem da weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, aber ihr blieb ja nichts anderes übrig. Sie schluckte, setzte eine selbstbe- wusste Miene auf und ging weiter nach unten.
„Entschuldigen Sie bitte. Ich möchte gern vorbei.“
Er warf ihr ein freches kleines Lächeln zu. Statt jedoch beiseite zu treten, stellte er sich auf die unterste Stufe, leg- te die Hände zu beiden Seiten auf das Geländer und ver- sperrte ihr mit dem Körper den Weg. Aber was war das für ein Körper! Die Breite seiner
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