Gaelen Foley - Knight 03
geben. Sosehr er sich auch nach Berührung sehnte, er konnte es nicht riskieren, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, er musste weiterhin strenge Selbstbeherrschung üben. Das Problem war, dass er sich nicht mehr auf sich verlassen, seine eigenen Reaktionen nicht mehr einschät- zen konnte. Er würde einer Frau nie absichtlich etwas an- tun, aber wenn er wieder den Verstand verlor und sich völ- lig unbeabsichtigt gegen sie wandte? Nach dem, was am Guy-Fawkes-Abend geschehen war, wagte er es nicht mehr, sich auf irgendetwas einzulassen, was das Monster in ihm wecken könnte. Und genau das könnte passieren, wenn er der Leidenschaft die Zügel schießen ließ. Da ver- zichtete er besser ganz.
Mit einem tiefen Seufzer stemmte er die Hände in die Hüften. Die Nacht war noch jung – vielleicht brauchte er sich ja nicht vollkommen abzuschotten. Es hatte ihm gut getan, bei Jasons Beerdigung auf die anderen Offiziere zu treffen. Er wusste, dass sein guter Freund Lieutenant Co- lonel George Morris in Birmingham stationiert war. Er be- schloss, ihm einen Besuch abzustatten. Das konnte nichts schaden. Rasch legte er die Reisekleidung ab und zog die Uniform an, wobei er Galadegen und Pistole allerdings zu- rückließ. Zwar fühlte er sich irgendwie nackt, so ganz oh- ne Waffen in einer ihm fremden Stadt, doch war es für die übrige Welt sicherer, wenn er sie nicht mit sich herumtrug. Bei dem Gedanken, den guten alten Georgie wieder zu se- hen, hob sich seine Stimmung. Beschwingt eilte er die Treppen hinunter, fragte, wo die Kasernen lagen, und machte sich auf den Weg.
Die wachhabenden Offiziere hießen ihn derart begeistert willkommen, dass ihm vor Verlegenheit die Röte in die Wangen stieg. Barsch erkundigte er sich nach Morris.
„Der ist in die Stadt, im Pavillon, um sich die Vorstellung anzuschauen“, erwiderte ein Offizier.
„Im Pavillon?“ wiederholte Damien.
„Das Theater weiter unten an der Straße. Die Truppe kommt ein Mal im Monat. Was anderes kann man hier auch nicht anfangen.“
„Dort gibt’s die hübschesten Ballettmädchen weit und breit“, erklärte der Sergeant grinsend.
Damien starrte ihn an, schluckte. „Ballettmädchen?“
„Ja, Colonel. Ich könnte einen Burschen runterschicken, um Colonel Morris zu holen.“
„Nein, ich, äh, ich gehe lieber selbst“, entgegnete Da- mien vorsichtig, schon halb auf dem Weg zur Tür. „Ich hab ja sonst nichts zu tun.“
„Viel Vergnügen!“ riefen sie ihm lachend nach und zwin- kerten einander viel sagend zu.
Ein paar Minuten später betrat Damien das helle, laute Pavillon-Theater und blinzelte im strahlenden Licht, das die drei an der Decke hängenden Kronleuchter verbreite- ten. Der Boden war mit Stroh bestreut worden, das den vom Publikum hereingetragenen Schneematsch aufsaugen sollte. Es raschelte unter Damiens Schritten, als er das berstend volle Theater durchmaß. So viel buntes Durchei- nander war er nicht mehr gewohnt, es machte ihn nervös. Er blieb stehen, den Rücken zur Bühne gewandt, und hielt in den beiden hufeisenförmig angelegten Rängen nach seinem Freund Ausschau. Er hatte gehofft, Colonel Morris sofort an seiner Uniform zu erkennen, doch bestand mindestens ein Drittel des Publikums aus Rotröcken. Stirnrunzelnd suchte er das Meer von Gesichtern ab, wäh- rend er gleichzeitig einen Bierverkäufer abwehrte und nicht auf den Mantel-und-Degen-Helden achtete, der auf der Bühne stand. Als er dann aber ihre Stimme hörte, wur- de er aufmerksam.
Sie hatte keinen schrillen Sopran, sondern eine weiche Altstimme, warm und sinnlich wie Samt. Der rauchige Klang berührte ihn derart, dass er ganz still wurde. Von seinem Stehplatz sah er, dass die Stimme auf die anderen
dieselbe beruhigende Wirkung ausübte. Interessiert drehte er sich herum, erblickte die Sängerin, und ihm blieb der Mund offen stehen.
Wie geblendet, betrachtete er die statuengleiche Gestalt der jungen Schönheit. Verdammt, dachte er, sie besteht nur aus üppigen Kurven. Vage war er sich ihrer dunkelbraunen Haare bewusst, die ihr über die Schultern fielen, doch war er so fasziniert von dem dünnen Kostüm, den vollen Brüs- ten und den schwellenden Hüften, dass es ein paar Minu- ten dauerte, ehe sein verlangender Blick ihr Gesicht er- reicht hatte.
Doch dann hatte er den Eindruck, als setzte sein Herz- schlag aus. Lieber Himmel! Sie war atemberaubend schön. Ein Engelsgesicht, das zu der himmlischen Stimme passte. Wie Rosen auf Schnee, dachte er. Rubinrote Lippen,
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