Gaelen Foley - Knight 03
heran.
Er wollte nicht, dass sie das mitbekam.
Es geschah alles ganz schnell.
Miranda zögerte, das Herz hämmerte ihr vor Angst, als sie den großen, grauäugigen Fremden schnurstracks auf den Mann mit der Waffe zugehen sah. Sie hatte den harten Blick bemerkt, der sich nach seiner Verletzung auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, obwohl er wegen der Schmer-
zen kaum eine Miene verzogen hatte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Sie hatte das Gefühl, als sollte sie seinen Anordnungen folgen – aber wie konnte sie ihn im Stich lassen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen? Die anderen waren in der Überzahl, und er war bereits verletzt. Es war alles ihre Schuld. So etwas hatte ja einmal passieren müssen, wenn sie sich immer so nahe an Mud City heranwagte.
Sie wusste nicht, was diese Idioten von ihr wollten oder woher sie ihren richtigen Namen kannten. Alles, was sie wusste, war, dass sie für diesen großen, attraktiven Offizier unendliche Dankbarkeit empfand, weil er ihr so ritterlich zu Hilfe geeilt war. Im nächsten Moment jedoch wandelte sich das Bild vom Ritter in schimmernder Rüstung in pu- ren Horror. Wie ein Wolf stürzte er sich auf den Schützen, und der Mann schrie vor Angst, obwohl der Soldat keine Waffe hatte. So schnell, dass man es kaum wahrnahm, hob ihr Retter die Hand, krümmte die Finger und grub sie dem Mann in die Luftröhre, riss ihm beinahe mit bloßer Hand die Kehle auf und stieß dabei das barbarischste, entsetz- lichste Knurren aus, das sie je von einem Menschen gehört hatte.
Alle Luft wich aus ihren Lungen. Ihr wurde übel, als er die Leiche fallen ließ und sich den anderen zuwandte, wil- de Mordlust im Blick. Die Straßenräuber wichen scho- ckiert vor ihm zurück.
Miranda brauchte keine weiteren Anweisungen mehr. Sie kämpfte sich auf die Beine, stolperte über den Saum ihres dünnen Kleides und begann auf die Lichter und die Menschen am Pavillon zuzueilen. Ihr Kopf war wie leer ge- fegt. Etwas so Entsetzliches hatte sie noch nie gesehen, aber trotz aller Hysterie war sie doch geistesgegenwärtig genug, in die richtige Richtung zu rennen.
Hinter ihr ertönte ein weiterer Schrei, doch war es nicht die tiefe Stimme des Soldaten. Sie zuckte zusammen, als ihr klar wurde, dass er soeben einen weiteren Mann getö- tet hatte, und lief noch schneller. Da galoppierte der Mann auf dem Klepper an ihr vorüber und schnitt ihr den Weg ab. Wieder stieg Panik in ihr auf.
Abrupt machte sie kehrt – wie ein gehetztes Füllen – und rannte in die andere Richtung, zur Brücke über den River
Cole, zum Weg nach Yardley.
Sie rannte, bis ihr die Lunge brannte, floh im Zickzack wie ein Hase, doch das verschaffte ihr nur ein paar zusätz- liche Sekunden. In weitem Bogen lief sie an ihrem erschre- ckenden Retter vorbei. Auf dem Boden lagen zwei Leichen, und er tötete gerade den dritten Straßenräuber, den bulli- gen. Der Soldat schien vollkommen weggetreten und sie kaum zu bemerken, als sie an ihm vorüberflog, um dem Reiter zu entkommen.
„Aaargh!“ Ihr entrang sich ein wilder, zorniger Schrei, als die dumpfen Hufschläge hinter ihr näher und näher ka- men.
Bald hätte sie der Reiter erreicht, sie konnte das Pferd schon riechen. Keuchend schaute sie sich um; der Reiter stieg bereits ab, um sie zu packen.
„Hilfe!“ kreischte sie.
Sie spürte beinahe seinen heißen Atem im Nacken, doch plötzlich stieß auch der Reiter einen seltsamen kleinen Schrei aus und stürzte mit dem Kopf voran zu Boden. Sie hörte die Knochen knirschen, als er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden landete, ein Messer im Rücken.
Schlitternd kam sie zum Stehen, fiel dabei beinahe über den toten Mann, und blieb dann wie angewurzelt stehen. Das reiterlose Pferd ging durch und galoppierte über die Brücke davon. Miranda wagte es nun gar nicht mehr, noch einen Schritt zu tun. Sie presste die Hand auf den Mund, um das hilflose Gewimmer zu unterdrücken; sie zitterte am ganzen Körper. Langsam wandte sie sich um und zwang sich, ihren wilden Retter anzusehen.
Dort auf der mondbeschienenen Hügelkuppe stand er, ei- nen Degen in der Hand, der letzte, der noch übrig war. Wie ein Berserker aus alten Legenden stand er im kalten Mond- licht, umgeben von Leichen. Seine Raserei hatte sich er- schöpft.
Er warf den Degen von sich, ließ den Kopf sinken und wischte sich mit dem Arm über die Stirn. Der Boden unter ihm war von blutigem Schneematsch bedeckt. Sein Ge- sicht war voll Blut und schweißüberströmt,
Weitere Kostenlose Bücher