Gaelen Foley - Knight 03
auch tun – nur dass er dieser Mann nicht war. Was er für sie empfand, war un- wichtig. Seine Aufgabe war es, sie zu beschützen – auch vor dem Tier in ihm. Die Gefühle, die in ihm aufkeimten – kleine, zarte Pflänzchen, die seinem froststarren Herzen trotzten –, waren dem Untergang geweiht. Er konnte nicht lieben, war überhaupt nicht für die menschliche Gesell- schaft geeignet. Er hatte sein Leben Kampf und Sieg ge- widmet, und nun war er in der stählernen Rüstung gefan- gen, die er selbst sich geschmiedet hatte.
Nach dem gestrigen Debakel hätte er sie am liebsten im Schoß seiner Familie zurückgelassen und diese damit be- traut, einen Mann für Miranda zu finden, während er Zu- flucht in Bayley House gesucht hätte, doch obwohl er schiere Qualen ausstand, weigerte er sich, Miranda im Stich zu lassen. Schon ihre Schönheit würde ausreichen, um sie zur Zielscheibe amourös veranlagter Herren zu ma- chen, doch da sie auch noch die Tochter einer berüchtigten Schauspielerin war, würden sich die verworfensten Wüst- linge des gesamten ton mit unehrenhaften Absichten um sie scharen – Männer, die einzig und allein für ihr Vergnü- gen lebten. Sie würden herauszufinden suchen, ob sie ebenso zugänglich sei wie ihre Mutter – doch wenn der ge- fürchtete Colonel Lord Winterley an ihrer Seite wachte, würden sie es nicht wagen. Ihnen wäre klar, dass es Selbst- mord war, sie zu beleidigen.
In diesem Augenblick kam der Butler in den Salon und beugte sich diskret vor, um Lucien etwas ins Ohr zu flüs- tern. Lucien nickte und reichte Harry an Alice weiter, da er das Kind gerade auf den Armen hielt. Während das lär- mende Spiel weiterging, beobachtete Damien neugierig, wie sein Bruder hinausging.
Kurz darauf kam Lucien zurück und bedeutete Damien von der Tür aus, ihm zu folgen. Damien stand auf und ver- ließ stirnrunzelnd den Raum.
Im Flur stand Luciens Assistent aus dem Außenministe- rium, der furchtlose Agent Marc Skipton.
Damien nickte Marc zu, während Lucien die Tür zum Sa- lon schloss. „Was gibt es?“
„Sie haben im Sherbrooke-Fall jemanden verhaftet“, sagte der junge Mann grimmig, „einen Dieb und Einbre- cher, der in der Gegend ziemlich bekannt ist. Im Augen- blick sitzt er in Untersuchungshaft, aber wir müssen uns beeilen. Er behauptet, dass er ein Alibi hat, und ich weiß nicht, wie lang sie ihn noch hinter Schloss und Riegel be- halten können.“
Damiens Augen weiteten sich rachsüchtig. Lucien hatte die Bow Street in diesem Fall ziemlich unter Druck ge- setzt, und anscheinend zahlte sich das jetzt aus. „Ich hole meinen Mantel.“
Bald traten die drei Männer in die Räume des Londoner Polizeigerichts. Lucien packte Damien am Arm, um ihn ein wenig zurückzuhalten, während der Konstabier sie an dem kleinen Gerichtssaal vorbeiführte, in dem selbst zu dieser späten Stunde noch geschäftiges Treiben herrschte, und den Flur hinunter zu der Untersuchungszelle.
„Bemüh dich mal, ihm nicht sofort den Kopf abzurei- ßen“, flüsterte Lucien ihm zu. „Der Mann ist erst ange- klagt; noch ist nichts bewiesen.“
„Dann soll er eben seine Unschuld beweisen.“ Mit düste- rem Blick schüttelte Damien seinen Bruder ab und folgte der Wache.
„John Michael Boyton heißt er, meine Herren.“ Der Kon- stabler hängte die Öllampe an einen Haken neben der Tür. Im Licht der Laterne schaute Damien durch das Metall- gitter und entdeckte einen drahtigen, ungepflegten Mann Ende zwanzig. Der Gefangene war wachsbleich, aber trot- zig.
„Auch unter dem Namen ,Rooster’ bekannt“, fuhr der Konstabier fort. „Lebt in Seven Dials, nicht weit von Ma- jor Sherbrookes Wohnung entfernt. Hinter dem Schurken sind wir schon seit Jahren her, wegen Diebstahl und Ein- bruch. Und jetzt hat er anscheinend auch noch einen Mord
auf sich geladen.“
„Ich hab keinen umgelegt“, knurrte der hagere Mann. „Ihr habt kein Recht, mich so zu triezen.“
„Mr. Boyton, wo waren Sie Mittwochabend, den 12. De- zember?“
„Wer zum Kuckuck sind denn Sie, etwa mein Anwalt?“ Der Konstabier schlug mit dem Knüppel gegen die Git- ter. „Etwas höflicher, wenn ich bitten darf!“
„Beantworten Sie die Frage“, forderte Damien mit zu- sammengebissenen Zähnen.
Nervös schaute Boyton von einem zum anderen. „Ich war bei meinem Bruder, und da hab ich mit ihm, seiner Frau und den Kindern zu Abend gegessen. Er kommt gleich, um für mich zu bürgen.“
„Aha, um für Sie zu bürgen“, wiederholte
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