Gaelen Foley - Knight 03
halbem Ohr zu, immer noch ganz in An- spruch genommen von all den Wundern ringsum. Damien schreckte sie aus ihrer Versunkenheit auf, indem er ihr die Tasche abnahm. Er reichte sie dem Butler und bedeutete ihr mit einem finsteren Blick, sie solle aufmerksamer sein.
„Miranda, das ist Mr. Walsh. An ihn musst ... müssen Sie sich wenden, wenn Sie etwas brauchen.“
Der Butler verneigte sich vor ihr. „Miss. Dürfte ich Ihren Mantel entgegennehmen?“
„Ja, danke.“ Ergeben reichte sie ihm den groben Woll- umhang und zuckte dann zusammen, als sie sich zufällig in dem hohen Wandspiegel sah. In ihrem schlecht sitzen- den beigefarbenen Sonntagskleid wirkte sie in dieser opu- lenten Umgebung erbärmlich fehl am Platz. So sehr schämte sie sich ihrer Armut, dass all ihr munteres Selbst- vertrauen schwand. Die eleganten Geschöpfe, die in die- sem Paradies auf Erden lebten, wären sicher entsetzt von ihr. Sie fürchtete sich davor, ihnen gegenübertreten zu müssen.
„Komm mit, meine Liebe“, meinte Damien energisch, als sich der Butler entfernt hatte. „Es wird Zeit, dass du deine guten Feen kennen lernst.“ Er nahm sie am Handgelenk und zog sie mit sich die geschwungene Treppe hinauf.
Mühsam stolperte sie hinter ihm her, als er sie oben durch den Flur führte, vorbei an hohen weißen Doppeltüren und Marmorbüsten. Die perlenden Töne wurden erst lauter und dann wieder leiser. Anscheinend hatten sie gerade das Musikzimmer passiert.
„Wer spielt denn da?“ flüsterte sie ehrfürchtig.
„Mein Bruder Robert, der Duke of Hawkscliffe“, erwi- derte er. „Vermutlich hat er sich wieder über die Tories ge- ärgert. So spielt er immer, wenn ihn die Politik erzürnt hat.“
„Und das ist sein Haus?“
„Ja. Und gleich stelle ich dich seiner Frau vor.“ Damit bog er nach rechts ab, öffnete die nächste Tür und steckte vorsichtig den Kopf in den Raum. „Bel?“
„Winterley!“
„Endlich! Komm herein, mein lieber verschollener Schwager. Jetzt können die Feiertage anfangen!“
Wie auf Kohlen stand Miranda hinter ihm, konnte die beiden Frauen, die ihn begrüßten, erst nur hören.
„Alice, wie schön, dich zu sehen“, sagte er herzlich und machte die Tür weiter auf. „Ich habe euch jemanden mit- gebracht. Kommen Sie herein, Miranda.“
Mit hoch erhobenem Kinn, die Hände zu Fäusten geballt, trat sie steif durch die Tür. Auf dem Sofa saßen zwei Da- men, die kaum älter waren als sie, vor einem gedeckten Teetisch. Voller Neugier schauten sie sie an.
„Kommen Sie doch näher“, drängte Damien.
Eingeschüchtert gehorchte sie und trat ein paar Schritte vor.
„Bel, Alice, gestattet, dass ich euch mein Mündel vorstel- le, Major Sherbrookes Nichte, Miss Miranda FitzHubert. Miranda, das sind die Duchess of Hawkscliffe und Lady Lucien Knight.“
Miranda knickste vor seinen Verwandten und senkte ver- schüchtert den Blick. Die beiden waren so hübsche, ele- gante Geschöpfe. Sie wollte unbedingt von ihnen akzep- tiert werden, machte sich aber wenig Hoffnung.
„Das ist dein Mündel?“ rief die Herzogin aus. Sie war an die fünfundzwanzig Jahre alt und im frühen Stadium der Schwangerschaft – noch verbarg ihr blaues, hoch gegürte- tes Seidenkleid den leicht gerundeten Bauch. Ihr weizen- blondes Haar war zu einem lockeren Knoten geschlungen. Miranda warf ihrem Vormund einen verzweifelten Blick zu.
„Verzeihen Sie, Miss FitzHubert“, verbesserte sich die Duchess munter. „Aber wir nahmen an, Damiens Mündel wäre ein Kind.“
„Wie ihr seht, haben wir uns getäuscht, deswegen brau- che ich Hilfe“, meinte er ausdruckslos. „Ich weiß über- haupt nicht, wo ich anfangen soll. Sie braucht eine An- standsdame, Garderobe, muss eingeführt werden. Bel, Ali- ce.“ Er warf ihnen einen bittenden, knabenhaften Blick zu. Beide brachen in Gelächter aus.
„Was für einen Mitleid erregenden Anblick du doch bie- test, Winterley. Bitte setzt euch doch und trinkt Tee mit uns“, lud die Herzogin sie mit einem Lächeln ein. „Und dann wollen wir mal schauen, was wir tun können.“
Unsicher betrachtete Miranda Damien. Er wies auf einen
Stuhl, der den beiden Frauen gegenüberstand. Vorsichtig ließ sie sich darauf nieder.
„Es hat mir so Leid getan, als ich das von Ihrem Onkel erfuhr, Miss FitzHubert“, sagte Lady Lucien freundlich, nahm eine unbenutzte Teetasse und goss Miranda ein. „Ich habe Major Sherbrooke auch gekannt, wenngleich nicht sehr gut. Er war ein Freund meines
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