Gaelen Foley - Knight 03
cremeweißen Damastdecke verhüllt und mit Silberzeug und kostbarem Porzellan eingedeckt. Das
Licht zahlloser Kerzen wurde von den Wandspiegeln zu- rückgeworfen.
Alle Anwesenden hielten sich an den Händen, während der attraktive junge Herzog ein schlichtes Gebet sprach, worin er sich bedankte, dass Gott ihnen seinen Sohn ge- schenkt hatte, dass nach zwanzig Jahren endlich Frieden herrschte und dass die Familie dieses Weihnachten wieder einmal zusammenkommen konnte. Bei diesen Worten be- kam Miranda einen Kloß im Hals, obwohl sie diese Leute doch erst so kurze Zeit kannte. Sie starrte auf ihren glän- zenden Porzellanteller hinab und lugte dann zu Damien hinüber, der ihr sanft die Hand drückte.
Insgeheim dankte sie Gott vor allem für ihren Vormund – ihren Schutzengel, wie sie manchmal dachte.
„Und bitte lass unser Baby gesund auf die Welt kom- men“, fügte die Duchess leise hinzu.
„Amen“, schloss ihr Ehemann und küsste sie auf die Wange.
„Und möge Gott auch Jack schützen, wo immer er gera- de ist“, meinte Jacinda und schaute ihre Brüder melancho- lisch an.
„Möge Gott Jack beschützen“, wiederholten Lucien und Alec, doch Robert und Damien schwiegen und tauschten einen grimmigen Blick.
„Wer ist Jack?“ erkundigte sich Miranda vorsichtig.
„Unser Bruder“, antwortete Alec in weichem, abwesen- dem Ton.
„Und heute Abend konnte er nicht kommen?“
„Er lebt nicht in England“, erklärte Lizzie und warf ihr einen warnenden Blick zu.
Das Thema schien irgendwie unangenehm, weswegen Miranda es lieber fallen ließ und ihre Aufmerksamkeit stattdessen dem Festmahl zuwandte, das selbst für die Be- griffe von Knight House üppig ausfiel. Mitten auf dem Tisch prangte eine silberne Terrine mit Erbsensuppe. Auf einer Seite stand ein Truthahnbraten mit Selleriesauce, auf der anderen Dorsch mit Buttersauce und eine schöne Lammlende. Das Fußende zierten Fleischpastete und Schweinefilet mit scharfer Sauce, das Kopfende gebratene Seezunge – aus der Miranda sich nichts machte – und zwei Hühnchen mit Brokkoli. Und das war erst der erste von
drei Gängen.
„Meine neuen Kleider werden mir morgen nicht mehr passen“, scherzte sie.
„Das möchte ich dir nicht geraten haben“, murmelte Da- mien mit einem neckenden Seitenblick.
Danach kamen Apfeltaschen und Waldschnepfen auf den Tisch, dazu Fleisch in Aspik. Der Stör in Blätterteig zer- ging auf der Zunge, ebenso der Hase mit Pilzen. Miranda nahm einen Bissen vom pikanten Gebäck. Es war köstlich, aber sie konnte es nicht aufessen. Sie staunte, wenn sie da- ran dachte, dass sie noch vor zwei Wochen nicht mehr als ein trockenes Stück Brot und eine lauwarme Tasse Tee zum Dinner bekommen hatte – vorausgesetzt, sie wurde nicht gerade zur Strafe ohne jedes Essen zu Bett geschickt.
Noch einmal traten die livrierten Lakaien vor und räum- ten den Tisch ab, bürsteten die Krümel weg und füllten die Weingläser nach. Mirandas Gedanken schweiften ab. Voll Dankbarkeit betrachtete sie die Gesichter ringsum, ver- suchte sich jedes einzuprägen und genoss die wunderbaren Gefühle, die dieser Abend in ihr hervorgerufen hatte.
Vor allem freute sie sich an Damiens Anblick und dem seiner großen, attraktiven Brüder. Obwohl sie durchaus ei- ne gewisse Familienähnlichkeit entdecken konnte, ver- wunderte sie es, dass sie einander nicht mehr glichen. Ro- bert, der Älteste, war etwa Mitte dreißig, hatte raben- schwarzes Haar, an den Schläfen schon grau meliert, und durchdringende braune Augen. Wenn er nicht über ein so freundliches Lächeln verfügt hätte, wäre Miranda von ihm fürchterlich eingeschüchtert gewesen. Sie brauchte nicht zu wissen, wie viele Landsitze er sein Eigen nannte oder wie viele Sitze er im Parlament kontrollierte, um die Macht zu spüren, die von ihm ausging – und doch wurde er ganz weich, wenn er seine Frau anschaute.
Als Nächstes betrachtete sie Lord Alec. Was für ein Spitzbube! Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Sie fand ihn ganz reizend, denn sie waren verwandte Seelen, sie und Alec – beide extravagante, herausfordernde Wesen, die gern im Mittelpunkt standen. Er war der jüngste Knight- Bruder und laut Damien der Liebling der Gesellschaft. Sie konnte verstehen, warum. Lord Alec war absolut wunder- bar – und wusste das nur zu gut. Er drückte sich freimütig
und mit scharfem Witz aus, und wie jeder wahre Trendset- ter hatte er seinen eigenen Stil kreiert, gefiel sich in ziem- lich grellen Farben und
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