Gaelen Foley - Knight 03
auch klang, allmählich überlegte er sich, ob je- mand es auf Miranda abgesehen hatte. Zuerst war sie von
Straßenräubern angegriffen worden, die er zuerst für Be- wohner von Mud City gehalten hatte, dann wäre sie in der Bond Street beinahe überfahren worden, wieder so ein scheinbarer Unfall, und dann war die brave Stute mit ihr durchgegangen. Das ergab einfach keinen Sinn. Deswegen wollte er sich mit Lucien beraten.
Ein Fall wie dieser fiel genau ins Fachgebiet seines spio- nierenden Bruders, und außerdem war Damien der Erste, der zugegeben hätte, dass sein Kopf in letzter Zeit alles an- dere als klar war. Er wollte seinem Zwillingsbruder alles erzählen, und wenn sonst nichts dabei herauskäme, würde sein Bruder ihm zumindest versichern, dass sein Beschüt- zerinstinkt allmählich paranoide Züge aufwies.
Die einzigen zwei Menschen, von denen er annahm, dass sie einen Grund haben könnten, Miranda zu verachten, waren Mr. Reed und Miss Brocklehurst aus Yardley, weil Miranda den Missbrauch, den die Mädchen dort zu erlei- den hatten, offen gelegt hatte. Doch dass die beiden in die Sache verwickelt sein sollten, kam ihm unwahrscheinlich vor. Zeitlich passte es einfach nicht. Der Überfall auf Bor- desley Green hatte stattgefunden, bevor er den Direktor der Polizei übergeben hatte. Eigentlich hatten die An- schläge auf Miranda erst kurz nach Jasons Tod begonnen. Bei diesem Gedanken lief es ihm kalt den Rücken hinab. Konnte der Mörder, der Jason auf dem Gewissen hatte, nun hinter Miranda her sein? Aber warum? Sicher bildete er sich das nur ein. Zumindest war es Damien gelungen, sei- ne Befürchtungen vor ihr verborgen zu halten. Schließlich hatte es keinerlei Sinn, das Mädchen zu allem anderen auch noch zu ängstigen. Er sorgte sich ein wenig, weil er sie in dem Moment allein ließ, wo vielleicht jemand hin- ter ihr her war, aber hinter den hohen Toren von Knight House befand sie sich in Sicherheit, bewacht von einem halben Dutzend scharfer Hunde und über drei Dutzend Dienstboten. Außerdem war Robert zu Hause, und mehr als ein paar Stunden wäre Damien ohnehin nicht weg.
Als er in der Upper Brooke Street vor Luciens und Alice’ elegantem Stadthaus mit der reich geschnitzten Tür, den Messinglampen und den zarten schmiedeeisernen Bai- konen an den oberen Fenstern ankam, schwang er sich aus dem Sattel und rief nach einem Stallburschen. Er über-
ließ das Tier dem Dienstboten, worauf ihn Mr. Hattersley, Alice’ ausgezeichneter Butler, in die Eingangshalle einließ. Der kleine kahlköpfige Mann nahm seinen Mantel entge- gen und führte Damien nach oben in den Salon, während er sich auf die Suche nach Lord Lucien machen wollte. Da- mien nahm im Salon Platz. Als sein Bruder nach einer Viertelstunde immer noch nicht erschienen war, fragte er ungeduldig beim Butler nach.
Mr. Hattersley lief dunkelrot an und erklärte stammelnd, dass Lord Lucien aus dem Schlafzimmer von Mylady he- rausgerufen habe, er wolle gleich kommen.
Diese verflixten frisch Vermählten, dachte Damien. Mr. Hattersley bot ihm ein Glas Brandy an, was er gern an- nahm, und die neueste Ausgabe der Times. Er blätterte in der Zeitung und versuchte nicht an Mirandas verstörte Miene zu denken, nachdem er durch seine Härte jede Chance auf eine gemeinsame Zukunft zerstört hatte.
Endlich kam Lucien in den Salon geschlendert, barfuß und nur in schwarze Hosen und einen voluminösen oran- geroten Seidenhausmantel gekleidet. Der Mantel schloss nicht über der Brust und umflatterte ihn mit flammenhaf- ter Anmut, als er mit gerötetem Teint, wirrem Haar und glänzenden Augen in den Raum trat. In seinem trägen Lä- cheln lagen vollkommene Befriedigung und Entspannung. Ein Blick auf seinen Bruder, und Damien fiel wieder ein, was ihm alles abging. „Hat ja verdammt lang gedauert“, meinte er.
Lucien lachte, seufzte und goss sich ein Glas Brandy ein. „Ich fress einen Besen, wenn ich heute Nacht nicht einen Sohn gezeugt habe.“ Er leerte das Glas in einem Zug und wandte sich lässig an seinen Bruder. „Was führt dich in mein Hochzeitsnest?“
„Ich brauche deine Hilfe.“
„Was ist los?“
Damien faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf die Couch. „Ich glaube, jemand will Miranda etwas an- tun.“
Lucien runzelte die Stirn. Damien berichtete ihm, wie die Stute durchgegangen war, und von da an erzählte er die ganze Geschichte, angefangen mit dem Überfall auf Bor- desley Green. Er berichtete von den Ausfällen des
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