Gaelen Foley - Knight 04
keit dagegen gehört nicht zu seinen Prioritäten, dachte Ja- cinda und sah einer Maus nach, die an der Wand entlanglief und eilig in ihrem Loch verschwand. Auch das goldene Licht der Kerzen, die in bunten Gläsern brannten, konnte den Staub auf den angeschlagenen Möbeln nicht verbergen. Sonst gab es noch einen Schrank, einen schäbigen Schreib- tisch mit Stuhl und eine Kommode – mit einem hinreißen- den Canaletto in einem schweren Goldrahmen darüber.
Ungläubig starrte Jacinda auf das Gemälde, das die Gon- deln auf dem Canal Grande und venezianische Paläste in ro- ten und goldenen Farben zeigte. Himmel, das war dasselbe
Gemälde, das in Lady Suderbys Salon hing! Ungläubig blickte sie ihren Gastgeber an, als ihr die Wahrheit dämmer- te.
Ohne etwas von ihren Gedanken zu ahnen, folgte Blade ihr in sein Zimmer, schloss die Tür ab, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Jacinda konnte nur an den unverschämten Diebstahl den- ken und deutete auf das Bild. „Dieses Gemälde ...?“
Etwas wie Schuldbewusstsein flackerte kurz in seinen kalten Augen auf. Faszinierende Augen – hellgrün mit ei- nem tiefdunkelgrünen Rand. „Ein herrliches Bild, nicht wahr?“
„Wie sind Sie dazu gekommen?“ fragte sie.
„Was glaubst du wohl?“
Jacinda sah ihn an, die Hände in die Hüften gestemmt, und wusste nicht, was sie von ihm halten sollte. „Das scheint mir eine gefährliche Art zu sein, seinen Lebensun- terhalt zu verdienen.“
Bei seinem verwegenen Lächeln wurden ihr die Knie weich. „Aye, aber wenn ich morgen sterbe, weiß ich wenigs- tens, dass ich jede Menge Spaß hatte.“
„Sie sind verrückt.“
Er lachte leise, und diese grünen Augen schienen sie ver- schlingen zu wollen. „Ich musste es einfach haben, wenigs- tens für kurze Zeit. Du musst wissen, dass ich schöne Dinge genieße.“ Er musterte sie lange, dann lehnte er den Kopf an die Tür und betrachtete wehmütig das Bild. „Ich werde es bald wieder verkaufen, aber es hat mich ... irgendwie ver- hext.“ Ihr fiel auf, dass sein rauer Cockney-Akzent auf ein- mal verschwunden war. „Manchmal liege ich auf meinem Bett und schaue es an, bis ich einschlafe. Und dann träume ich, dass ich da wäre – in Venedig, unter dem blauen Him- mel, mit der Sonne im Gesicht und dem sanften Säuseln der Wellen.“ Voller Spott blickte er sie an. „Aber Künstler lü- gen. Kein Ort könnte so schön sein.“
„Doch. Ich war da.“
Er starrte sie an.
„Glauben Sie mir nicht?“
Er antwortete nicht.
„Sie sollten hinfahren.“ Vorsichtig lächelte Jacinda ihn an. „So viel Schönheit auf einmal könnte einen läuternden
Effekt auf Ihre Moral ausüben.“
Blade stieß den Atem aus. „Ich habe keine Zeit für Ferien. Ich muss mich mit einem Cullen O’Dell befassen.“
„Sie werden ihn kriegen“, erwiderte Jacinda zuversicht- lich. „Sind Sie schwer verletzt?“
Er zuckte die Achseln. „Ich werde es überleben.“
Unsicher betrachteten sie einander, und plötzlich war der Moment wie verzaubert. Der Raum schien enger zu werden, als das Kerzenlicht golden auf seine markanten Züge fiel und die männlichen Linien seines Gesichts hervorhob.
„Wer bist du?“ fragte er drängend. „Ich muss es wissen.“ „Dasselbe könnte ich Sie fragen.“
„Ich habe zuerst gefragt.“
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt ...“
„Nein. Eine ,Jane Smith’ trägt keine Diamanten. Außer- dem habe ich dich schon mal gesehen.“
Vorsicht, dachte Jacinda und hob unwillkürlich die Hand an ihre Kehle. Er konnte zwar nicht lesen und schreiben, aber er war nicht dumm – klug genug, um Qualität zu erken- nen, wenn er sie sah. Sie entschloss sich zu einer Halbwahr- heit. „Sie kommen mir auch bekannt vor, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wo wir einander schon einmal begegnet sein sollten.“
Blade wirkte, als würde er jedes ihrer Worte genau abwä- gen. „Eddie hat erzählt, dass du eine Postkutsche nach Do- ver gemietet hast, damit du über den Kanal kommst.“
„Das stimmt.“
„Warum willst du weg?“
„Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, ich möchte nicht da- rüber sprechen.“
Mit einem spekulativen Funkeln in den Augen neigte er den Kopf. „Ich habe da so meine eigenen Vorstellungen. Willst du sie hören?“
Sie antwortete nicht, aber davon ließ er sich nicht entmu- tigen.
„Ich denke, dass du durchbrennen willst. Nach Paris.“
„Wie bitte?“
„Ich habe gehört, dass
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