Gaelen Foley - Knight 04
würden.“
„Förmlicher? Na gut.“ Er schaute sie an. „Sieh sich nur ei- ner Mylady an, hart bei der Arbeit, und das im Ballkleid“, spottete er, und sein Atem strich warm über ihr Ohr. „Du bist für solche Arbeiten nicht gemacht, Prinzessin. Wenn du gestattest.“
Selbst seine Neckereien verfehlten ihre Wirkung auf Ja-
cinda nicht, und ärgerlich merkte sie, dass sie zitterte. Mit wissendem Blick setzte Blade den Kessel zurück aufs Feuer und nahm ihr die Wasserschüssel aus der Hand. Sie beo- bachtete, wie er die Schüssel auf die Kommode stellte, sich einen Holzstuhl herbeizog und sich rittlings darauf setzte. „Hast du noch nie einen tätowierten Mann gesehen?“
Sie hatte noch nie den nackten Oberkörper eines Mannes gesehen, ob tätowiert oder nicht, aber davon wollte sie jetzt nicht reden. „Wo haben Sie die her?“
„Church Street.“
Die gewöhnliche Adresse verblüffte sie.
Er lächelte. „Dort hat ein alter Seebär, der früher bei der Marine war, sein Geschäft. Das versüßt ihm ganz hübsch sein Alter, wette ich. Er hat seine Kunst bei den Eingebore- nen von Tahiti gelernt, wo er im Dienst seiner Majestät auf einer Fregatte stationiert war.
„Hat es sehr wehgetan?“
„Weiß nicht mehr.“ Er grinste sie entwaffnend an und kratzte sich am Kinn. „Ich war damals sturzbesoffen.“
Jacinda zwang sich, den Blick abzuwenden, als er sich da- ranmachte, seine Wunde zu versorgen. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihm helfen sollte – die Verletzung sah grässlich schmerzhaft aus –, aber sie wagte kaum, ihn anzuschauen, so sehr verstörte sie die Nähe dieses großen, männlichen, halb nackten Körpers. Was ihre Brüder dazu zu sagen hät- ten, daran wollte sie jetzt nicht einmal denken.
Mit einem neidvollen Stich fragte sie sich angesichts ihres behüteten Lebens, wie es wohl wäre, ein Leben wie Blade zu führen. Gut, er war ein Bandit, aber er war frei wie ein Ad- ler, und es gab ganz sicher niemanden, der ihm vorschrieb, was er zu tun und zu lassen hatte.
Ärgerlich darüber, dass sie diesen attraktiven Schurken auch noch beneidete, warf sie ihm einen raschen Blick zu und schrie erschrocken auf. „Blade! Passen Sie auf, dass Sie kein Wasser auf das Bild spritzen! Um Himmels willen, das ist ein Canaletto ...“
„Ich weiß selbst, dass das ein Canaletto ist. Warum sonst hätte ich mir die Mühe gemacht, ihn zu stehlen?“
„Dann sollten Sie ihn nicht so aufhängen, dass ihm ein Wasserschaden droht!“
Neugierig schaute Blade zu, wie sie entschlossen zur
Kommode marschierte und das Bild aus dem Gefahrenbe- reich nahm, um es zu seinem Schreibtisch zu tragen. Dabei gab sie sich viel Mühe damit, es richtig hinzustellen, um so der Versuchung zu widerstehen, erneut einen Blick auf ihn zu werfen. Insgeheim dachte Jacinda, dass sie nicht verste- hen konnte, dass ihre beste Freundin Lizzie Carlisle Billy Blade nicht attraktiv gefunden hatte. Sie hatte ihn einen „garstigen Kerl“ genannt und war von Jacindas Interesse schockiert gewesen.
Fast hätte Jacinda aufgelacht. Nur meine Mutter hätte mich verstanden, überlegte sie und gönnte sich noch einen verbotenen Blick auf Blade. Er wirkte so wunderbar wild und rebellisch, wie er da mit der goldenen Mähne und den tätowierten Muskeln im halbdunklen Zimmer saß.
Und doch: So groß der Gegensatz zwischen Billy Blade und den modischen Dandys aus ihren Gesellschaftskreisen auch war, sie konnte das nagende Gefühl des Zweifels nicht abstreifen, dass der Bandenführer nicht ganz der war, der er zu sein vorgab. Vielleicht war er ja einem Seitensprung ent- sprungen, den sich irgendein hochgeborener Tunichtgut beim Spielen im Heu mit einer Schankmagd geleistet hatte, denn sein kantiges, gut geschnittenes Gesicht trug so edle Züge, dass es eine bessere Abstammung verriet als die sei- ner vorgeblichen Cockney-Herkunft. Tiefschwarze Brauen schwangen sich kühn über misstrauischen, aber höchst wa- chen Augen. Seine hohen Wangenknochen und das eckige Kinn wurden von einem sinnlichen Mund ergänzt, der selbst eine Pfarrerstochter in Versuchung geführt hätte, von der Tochter der Hawkscliffe-Schlampe ganz zu schweigen.
Doch auch die Spuren seines harten Lebens in den Stra- ßen waren nicht zu übersehen. Seine gerade Nase war leicht nach rechts gebogen, und eine Narbe in der Form eines ge- zackten Sterns entstellte die Haut über der linken Braue. Nur mühsam schaffte es Jacinda, ihren Blick von ihm zu lö- sen, als er sich einen
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