Gaelen Foley - Knight 04
noch?“
„Freiheit!“ schrie Jacinda ihn an. „Meine Güte, Blade, denkst du denn, dass Komfort alles ist, was im Leben zählt?“
„Ich glaube, dass du nicht ganz richtig im Kopf bist!“ Er drehte sich um, stemmte die Hände in die Taille und schau- te Jacinda wütend an. „Du hast keine Ahnung, wie gut du es hast! Ist dir mal aufgefallen, in welcher Verfassung das Land ist? Wir leben in gefährlichen Zeiten. Hungersnot. Schlechte Ernten. Eine halbe Million Männer ist aus dem Krieg zurück und findet keine Arbeit. Überall machen die Geschäfte dicht. Es kann gut sein, dass du deine berühmten Brüder noch brauchst, damit sie dich beschützen, denn je- den Moment könnte sich die Bevölkerung erheben. Ein Fun- ke, und das ganze Pulverfass fliegt in die Luft – und deine feinen Lords wissen das ganz genau. O ja, jeder einzelne, erst Recht diese Schlange Sidmouth im Innenministerium. Seine Lordschaft hat immer nur dieselbe Antwort auf jedes Problem: noch einen Galgen bauen.“
„Und wenn, Blade? Willst du die Regierung stürzen?“ fragte Jacinda in gelangweiltem Ton.
„Ganz im Gegenteil, Mylady. Ich tue mein Bestes, um für Ordnung zu sorgen“, entgegnete er. „Was glaubst du wohl, warum ich gegen O’Dell kämpfen muss? Ich verrate dir, wie- so – weil die Behörden nie einen Fuß in diese Gegend setzen würden. Ich will ganz offen mit dir sein, Lady Jacinda. Letz-
ten Monat haben O’Dell und seine Leute ein Haus weiter ei- ne Dreizehnjährige vergewaltigt – verzeih, wenn ich deine empfindlichen Gefühle verletze. Ihr Vater ist zur Polizei ge- gangen, aber er ist ein irischer Katholik ohne einen Pfennig, so dass sie keinen Finger rühren, um ihm zu helfen. Deshalb ist er zu mir gekommen – denen da oben ist das einfach al- les nicht wichtig. Aber lass nur Lady Sudeby ein Gemälde verlieren“, er lachte bitter auf und deutete auf das Bild, „dann wird die ganze Stadt auf den Kopf gestellt, um es wiederzufinden. Während wir hier ums nackte Überleben kämpfen, zerbricht sich deine Klasse nur den Kopf darüber, ob sie ihr Landhaus im chinesischen oder im gotischen Stil einrichten soll!“ Blade war jetzt laut geworden.
Jacinda schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß, dass es Ungerechtigkeit gibt, aber wenn du einmal deinen Kopf be- nutzen würdest statt immer nur die Fäuste, wäre dir klar, dass du mit deinen Dutzenden von Gefolgsleuten und die- sem Haus besser dran bist als die meisten. Du kannst das nicht verstehen, weil du frei bist. Du wirst nicht bei jedem Schritt von hundert Leuten überwacht, die nur darauf war- ten, dass du einen Fehler machst, damit sie dich den Wölfen vorwerfen können.“
Blade schaute sie an, dann zuckte er die Schultern. „Ver- zeihung, Mylady, vielleicht hast du Recht, und wir können einander wirklich nicht verstehen. Aber eines weiß ich ge- nau: Deine Überlebenschancen sind in deiner Welt viel grö- ßer als in meiner.“
Damit bückte er sich und warf ihre Reisepapiere ins Feu- er.
Jacinda stieß einen Schrei aus und rannte zum Kamin, aber Blade packte sie um die Taille und hielt sie fest, wäh- rend sie mit ansehen musste, wie ihre Freiheit in Flammen aufging.
Manchen Leuten kann man es nie Recht machen, dachte Blade, als er kurz darauf Ihrer Ladyschaft in der dunklen Droschke gegenübersaß. Was hatte sie denn erwartet?
Die Tochter eines verdammten Herzogs!
Jacinda trug wieder ihren schmutzigen Reisemantel, den sie bis zum Hals zugeknöpft hatte, und ihre Haare waren wieder halbwegs sorgfältig hochgesteckt. Alle ihre Sachen
befanden sich wieder in der Tasche, und jeder Penny, den Eddie ihr gestohlen hatte, war zurückgezahlt. Blade war fast das Herz stehen geblieben, als er gesehen hatte, dass sie ihre Diamanten nicht mehr trug, und sein erster Gedanke war gewesen, dass einer seiner Männer sich vergessen hatte. Aber als er nach Jimmy hatte pfeifen wollen, hatte sie ihn kalt darüber aufgeklärt, dass sie den Schmuck in die Tasche getan hatte.
Das war das Letzte, was sie zu ihm gesagt hatte. Und jetzt schaute sie ihn nicht einmal an. Jacinda saß ihm gegenüber, blickte mit verschlossenem Gesicht aus dem Fenster und wirkte verraten, hoffnungslos und wütend. Blade wusste, dass er das Richtige tat, aber – typisch Frau – Jacinda hass- te ihn dafür. Das verrückte Mädchen hätte sich fast kopf- über ins Feuer gestürzt, nur um ihre Reisepapiere zu retten. Sie hätte, es niemals in einem Stück nach Dover geschafft, geschweige denn nach
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