Gaelen Foley - Knight 04
würde.
Im Viertel ging das Gerücht um, dass Bloody Fred einmal einen seiner Vermieter ermordet und aufgegessen hätte.
„Was wollt ihr von mir?“ fragte Eddie.
O’Dell lächelte, kam näher und wisperte: „Ich will, dass du für mich spionierst, Eddie. Ich will wissen, wann Blade seinen nächsten Coup plant.“
„Warum?“ stieß Eddie hervor.
„Frag nich so dumm, Bengel. Und wehe, du willst mich verscheißern. Fred wird dich kriegen. Tu, was ich sage, oder du wirst dir wünschen, nie geboren zu sein.“ Damit ließ O’Dell ihn los.
Eddie raste davon, so schnell ihn seine zitternden Beine trugen.
5. KAPITEL
Blade betrachtete mit einem Zigarillo zwischen den Zähnen trübe von seinem Bett aus die Stelle, an der der Canaletto gehangen hatte. Vorhin hatte er das Gemälde zu einem Pfandleiher gebracht, um es gegen Geld einzutauschen, das er dringend für seinen Bandenkrieg gegen die Jackals brauchte. Es war kein Kinderspiel, ein einmaliges Kunst- werk auf dem Schwarzmarkt loszuwerden, aber er hatte Kontakte in der Kunstwelt, die verlässlich waren und dis- kret arbeiteten. Das Bild hatte sein Zimmer gehörig ver- edelt, und jetzt, wo es fehlte, wurde Blade einmal mehr be- wusst, in was für einer schäbigen Zelle er hauste: kahl, trü- be und verschlissen. Risse zogen sich über die Wände, und jedes Mal, wenn es regnete, tropfte es durch die verdammte Decke.
Blade stieß den Rauch aus, stützte die Ellbogen auf seine Knie und hob die rechte Hand, um deren Gelenk er sich das Diamanthalsband gelegt hatte. Was für ein Satansbraten! Sie hatte ihre Kette extra hier gelassen, damit er sie fand. Gedankenverloren betrachtete Blade das Geschenk und fragte sich, was sie damit bezweckt hatte. Sein männlicher Stolz war verletzt, und sein Instinkt warnte ihn vor tausend Gefahren, und doch geisterte ein Fünkchen Hoffnung durch seinen Kopf und quälte seine sonst so unerschütterliche Ru- he. Zum Teufel, er war doch nicht auf Almosen angewiesen! Sein Stolz wehrte sich dagegen, dass sie Mitleid mit ihm hatte. Viel eher war es so, dass sie ihre Kette dagelassen hat- te, um ihm eine Falle zu stellen. Was aussah wie ein über- wältigend wertvolles Geschenk, war in Wirklichkeit ein Kö- der, um ihn des Diebstahls bezichtigen zu können. Das war ihre raffinierte Rache dafür, dass er sie zu ihrer Familie zu- rückgebracht hatte – so dass sie eine unerwünschte Ehe
schließen musste, die jetzt unvermeidlich war.
Aber was, wisperte sein verräterisches Herz, was, wenn sie die Kette dagelassen hat, weil sie etwas Gutes in mir ent- deckt hat? Etwas, das es wert ist, gerettet zu werden? Die Vorstellung, dass Jacinda ihm das Geschenk aus dem Grund gemacht haben könnte, weil sie ihn dessen für wert hielt, er- schütterte ihn. Während seine Augen den Bewegungen des Glitzerdings folgten, das im Sonnenlicht in tausend ver- schiedenen Farben funkelte, wanderten seine Gedanken zu- rück zu dem Tag vor langer Zeit, an dem er ein für alle Mal gelernt hatte, dass er nichts wert war, ein Tag, an den er sich nur selten erinnerte und der sich im Cornwall seiner Kind- heit ereignet hatte, als das Sonnenlicht auf dem Wasser ge- glitzert hatte ...
„Biiiill ...yyy!“
„Guck dir das an, Billy!“
„Ich gucke ja!“
Lachen und Jungenstimmen.
Das Sonnenlicht spiegelte sich golden in dem bronzenen Teleskopfernrohr, als Billy Albright einen Fuß auf den Bug- sprit setzte und sich an der Reling abstützte, während der Wind ihm das flachsfarbene Haar zerzauste. Gebannt schaute er durch das Fernglas, das er sich bei seinem Vater geliehen hatte, auf die grün bemoosten Felsen hinaus, wo sich Seehunde in verschiedenen Größen im grauen Wasser des Atlantiks tummelten und einander mit heiseren Stim- men zubellten. Vor den Tagen von König Artus hatte der Riese von Portreath die Felsbrocken dort hingeworfen, um sich dadurch sein Abendessen in Form nichts ahnender See- leute zu sichern. Jede Ecke Cornwalls verband sich mit ei- ner Legende oder einer Geschichte aus alter Zeit. Billy zer- marterte sich das Hirn, ob ihm nicht noch etwas anderes einfiel, womit er seine beiden Schulkameraden unterhalten könnte, die wie er für die Frühjahrsferien von Eton nach Hause gekommen waren.
Alle drei Jungen waren dreizehn Jahre alt. Reg Bentinck, ein dunkeläugiger, etwas blutarmer Junge, angelte aufge- regt von der Seitenreling aus, während der sommersprossi- ge Justin Church mit seinem roten Wuschelkopf die Ruder bediente und ab und zu den
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