Gaelen Foley - Knight 04
wieder zu- sammen, wo einige Spieltische für ein paar harmlose Run- den Whist aufgestellt worden waren. Die Debütantinnen waren jedoch offensichtlich mehr daran interessiert, ihr musikalisches Können am Klavier unter Beweis zu stellen, indem sie entweder auf dem Instrument spielten oder sich darauf zum Gesang begleiten ließen. Rackford lehnte an der Wand und nahm ab und zu einen Schluck von dem guten Wein. Voller Neugier wartete er auf Jacindas Auftritt, aber statt zum Klavier zu gehen, schlenderte sie unbestimmt durch den Salon.
Er blickte ihr in die Augen, als sie wie zufällig auf ihn zu- kam. Zwischen ihnen schien die Luft förmlich zu knistern,
aber sie sah rasch weg und lehnte sich neben ihn an die Wand, ebenfalls ein Glas Wein in der Hand. Rackford gab vor, die Musik zu genießen, aber alles, was er spüren konn- te, war ihre Nähe.
Er wusste, dass sie sich seiner genauso bewusst war. Es war eine Qual, sie nicht berühren zu dürfen. „Danke, dass du mir vorhin geholfen hast“, sprach er sie leise an.
Jacinda fächelte sich Luft zu. „Ich weiß, dass du mich für ein nutzloses Schmuckstück hältst, aber manchmal hat mei- ne Kenntnis der trivialsten Dinge auch sein Gutes.“
„Ich habe nie behauptet, dass du nutzlos wärest. Darf ich hoffen, dass deine Freundlichkeit mir gegenüber bedeutet, dass du dich entschieden hast, mir zu glauben?“
„Nein.“
„Warum hast du mir dann geholfen?“
„Ich habe mich entschieden, mir erst dann ein Urteil zu bilden, wenn Lucien wieder zu Hause ist, das ist alles.“
„Das ist in Ordnung.“
„Bis dahin ...“ Sie seufzte. Während sie vorgab, dem Spiel der nächsten Debütantin zu lauschen, musterte sie ihn aus den Augenwinkeln. „Ich habe nicht viel Zeit, und das soll auch keine Ermutigung sein, aber du bist ein armseliger An- blick, Lord Rackford. So wirst du die gute Gesellschaft nie überleben. Aber aus Gründen, die ich jetzt nicht näher aus- führen möchte, bin ich bereit, dir zu helfen. Komm mich morgen um ein Uhr besuchen, und sei pünktlich.“
Rackford war so vor den Kopf geschlagen, dass er keine Zeit hatte zu reagieren, als sie ihm einen herausfordernden Blick zuwarf und sich dann wieder unter die Menge misch- te, um hier und da mit einigen Menschen ein paar Worte zu wechseln.
Mit neu erwachender Hoffnung schaute er ihr nach.
Ein armseliger Anblick, dachte er belustigt. Wie sollte je- mand so eine Bemerkung als Ermutigung betrachten? Und doch stand er jetzt mit einem glücklichen Lächeln da und nippte an seinem Sherry.
11. KAPITEL
Um fünf vor eins rollte am nächsten Tag eine elegante schwarze Stadtkutsche mit dem Wappen der Albrights auf der Tür durch die hohen schmiedeeisernen Tore von Knight House. Jacinda beobachtete sie von einem oberen Fenster aus gerade lange genug, um zu sehen, dass der Kutscher und die Diener eine braune Uniform mit weißen Spitzenjabots und schwarzer Litze trugen. Die vier schwarzen Pferde passten hervorragend zusammen, und rote Stickerei zierte ihren schwarzen Kopfputz. Mit vor Aufregung blitzenden Augen eilte Jacinda in das Frühstückszimmer, um ihren Be- sucher zu empfangen.
Jacinda bezweifelte, dass ihr Besucher sich genügend mit den Regeln der guten Gesellschaft auskannte, um zu wissen, dass er zu einer höchst ungewöhnlichen Zeit eingeladen worden war, die normalerweise nur den Besuchen allerengs- ter Freunde vorbehalten war; je später es am Nachmittag war, desto förmlicher wurden die Besuche. Himmel, sie konnte gut einen ganzen Tag gebrauchen, um Rackford das Nötigste beizubringen. Da es heute warm und sonnig war, hatte sie schon entschieden, dass sie mit Lord Rackford im Green Park spazieren gehen würde, wo sie sich in Ruhe un- terhalten konnten. Weil Jacinda wusste, dass er kommen würde, hatte sie Miss Hood unter einem Vorwand zum Ein- kaufen geschickt. Lizzie würde sie stattdessen als An- standsdame begleiten, denn sie war für diese Aufgabe viel besser geeignet als die adleräugige Gouvernante.
Jacinda hörte, wie Mr. Walsh unten die Tür öffnete. Rasch lief sie in den Salon, wo Lizzie und Bel über einer Näharbeit saßen, und beeilte sich, sich in anmutiger Pose aufs Sofa zu setzen, wo sie ihre Röcke um sich ausbreitete. Lizzie, die eingeweiht war, lächelte ihr belustigt zu, aber Bel konzen-
trierte sich ganz auf ihre Arbeit. Robert war zum Glück in seinem Club bei White’s – nicht, dass seine Gegenwart einen Billy Blade abgeschreckt hätte.
Jacindas Herz schlug
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