Gaelen Foley - Knight 06
Lieblingsweste, und das Haar klebte ihm am Kopf. Er atmete schneller, löste sein Halstuch und warf es fort.
Als er in die Bond Street einbog, fuhr eine Kutsche mit weite- ren Gästen, die Drax zu sich eingeladen hatte, an ihm vorüber. Überrascht sahen sie ihn an, doch er achtete nicht darauf, so sehr war er auf die Verfolgung konzentriert.
Er hatte das Gefühl, dass er an diesem Abend nicht mehr auf ein Kartenspiel zu Draxinger zurückkehren würde. Nein, ihm schwebte bereits ein anderes Spiel vor, das ein Mann und eine Frau miteinander spielten. Himmel, wie sehr er das brauchte! Er hatte zu lange darauf verzichtet. Seit der Mittsommerwen- de, seit Lizzies Hochzeit mit Strathmore. Nachdem das einzige Mädchen, von dem er immer geglaubt hatte, er würde es heira- ten – sobald er irgendwann natürlich dazu bereit sein würde –, ihn abgewiesen hatte, besaß er nicht das Herz, sein Leben als Don Juan weiterzuverfolgen.
Bis jetzt.
Worauf zum Teufel wartete er? Sein Körper sehnte sich nach der Berührung einer Frau. Während er durch den Regen lief, be- schloss er, dass dieses Mädchen genauso gut wäre wie alle ande- ren. Außerdem würde es seiner Eitelkeit schmeicheln, Erfolg zu haben, wo seine Freunde gescheitert waren.
Als sie an einer Reihe von Geschäften vorüberkamen, deren Türen für die Nacht fest verschlossen waren, verlangsamte die junge Frau den Schritt, als würden ihre Kräfte allmählich ver- sagen. Noch einmal warf sie einen angstvollen Blick über die Schulter. Bald hatte er sie eingeholt.
Alec war nun fast auf gleicher Höhe mit ihr. Er war ihr nahe
genug, um den Zorn auf ihrem Gesicht zu erkennen.
„Gehen Sie weg, Sie Teufel!“
„Nein“, rief er heiter. Noch kannte sie seinen berüchtigten Ei- gensinn nicht – und er wusste nicht einmal ihren Namen.
Mit einem Wutschrei hastete sie zur nächsten Ladenfassade und ergriff die einzige Waffe, derer sie habhaft werden konnte.
Sie packte einen Gaslaternenlöscher, zog ihn aus der Halte- rung an der Wand, fuhr damit herum und richtete ihn auf Alec. „Bleiben Sie weg!“
„Oho!“, lachte er und kam langsam näher. Das Mädchen ge- fällt mir. „Was willst du damit? Mein Leben auslöschen?“
„Keinen Schritt weiter, sonst schlage ich Ihnen den Schädel ein. Ich werde es tun, das schwöre ich.“
Natürlich gehorchte er nicht, sondern ging noch ein oder zwei Schritte weiter. „Ruhig, Kleines ...“
„Ich bin nicht Ihr Kleines!“ Der Metallstab zischte durch die Luft. Ihr dunkles Haar flog um sie herum, und der schmutzige Rock drehte sich um ihre schlanke Gestalt, als sie mit der Waffe nach seinem Kopf ausholte.
Er duckte sich reflexartig, doch es erstaunte ihn, wie knapp sie ihn verfehlt hatte. Seit Jahren drohten ihm Frauen, ihn um- zubringen, aber noch keine hatte es bisher wirklich versucht.
„Was für eine Kraft“, rief er aus und begann wieder zu lachen. Er konnte nicht anders.
Sie wurde rot. „Wagen Sie nicht, mich auszulachen. Ich fürch- te mich nicht vor Ihnen. In meinen Adern strömt das Blut von Helden, damit Sie das wissen“, erwiderte sie zornig und ver- suchte nun, wie Alec nicht ohne Bewunderung feststellen muss- te, ihn auf diese Weise loszuwerden. „Mein Vater kämpfte an Nelsons Seite bei Trafalgar!“
Er hob die Hände. „Ich ergebe mich. Tu mir nichts.“
„Oh, Sie ...“ Ein weiterer Blitzschlag brachte sie zum Ver- stummen, und sie verbarg sich unter der Markise des Ladenge- schäfts.
Alec wollte ihr folgen, musste aber feststellen, dass sie bereits dabei war, den schützenden Unterstand, den sie erobert hatte, zu verteidigen.
Zwar gestattete sie ihm, unter die gestreifte Ladenmarkise zu treten, doch ihre Waffe hielt sie weiterhin einsatzbereit.
Er lächelte ihr zu. „Ist das nicht gemütlich hier?“
Der Regen trommelte auf die Markise, andere Geräusche der Nacht waren nicht mehr zu hören, sie wurden verschluckt.
Unbehaglich wich die junge Frau vor ihm zurück, umfasste die Waffe noch fester und schien mehr als bereit zu sein, ihm bei der ersten falschen Bewegung den Schädel einzuschlagen.
Alec war wachsam und doch hingerissen, obwohl das nichts bedeutete. Er war dafür bekannt, sich sechs- oder siebenmal am Tag zu verlieben. Schöne Augen, dachte er. Er betrachtete sie durch den Regen, im Schein einer fernen Straßenlaterne. Augen voll Feuer und Leidenschaft, und der violette Schimmer war so selten, dass er besonders fasziniert von ihm war. Der Regen hatte ihr dichtes dunkles Haar
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