Gaelen Foley - Knight 06
hatte sich noch kein Urteil über den Prin- zen gebildet, abgesehen von einer leichten Belustigung darü- ber, wie er mit seinen Kosaken im Gefolge durch die Stadt pa- radierte, als wäre er der Zar persönlich. Aber was um alles in der Welt hatte der energische Prinz Michail Kurkow mit Becky Ward zu tun?
Während er dem Treiben verwirrt zusah, erinnerte Alec sich an die beiden Soldaten, die er vergangene Nacht von der Kut- sche aus beobachtet hatte. Sie hätten sich verirrt, das vermutete er. Aber er hatte sich getäuscht. Sie trugen dieselben Helme – ohne Zweifel, jetzt erkannte er sie. Es waren Kosaken gewesen. Und hier waren sie wieder.
Kurkow rief einen Befehl, und die vier Kosaken setzten sich augenblicklich in Bewegung, um Becky zu verfolgen. Alec er- innerte sich nun daran, wie sie auf Draxingers Türschwelle ge- schlafen hatte – nicht weit von der Stelle entfernt, wo er die Kosaken gesehen hatte. Hatten sie vergangene Nacht in den Straßen nach ihr gesucht? Aber warum?
Eine Jungfrau.
„Was, zum Teufel, ist hier los?“, murmelte er. Ist sie deshalb mit mir gekommen? Nur um ihnen zu entgehen? Er befürchte- te, die Antwort zu kennen. Oh, Becky, du hättest nicht das Bett mit mir teilen müssen, damit ich dir helfe. So schlecht bin ich nicht.
In diesem Moment erschien der Duke of Westland persön- lich in der Eingangstür. „Gütiger Himmel, Kurkow. Was ist hier los?“
Alec bewegte sich bereits in die Richtung, in die Becky geflo- hen war, als der Prinz seinen Männern die Verfolgung überließ und zur Vordertreppe zurückging. Alec konnte noch hören, was er dem Duke of Westland erwiderte: „Verzeiht mir die Störung, Euer Gnaden. Meine junge Cousine ist sehr krank ...“
Cousine?
„Wie Sie vielleicht noch in Erinnerung haben, war ihre Mutter sehr labil. Rebecca hat das unglücklicherweise von ihr
geerbt ...“
Den Rest von Kurkows zweifelhaften Erklärungen konnte Alec nicht mehr verstehen. Möglicherweise wusste er nicht al- les von ihr, doch Becky Ward war einer der vernünftigsten Men- schen, die er je kennengelernt hatte. Verrückt war das Mädchen keineswegs, und krank erst recht nicht.
Aber sie befand sich zweifellos in Schwierigkeiten.
Den Schutz der Bäume im St.-James-Park ausnutzend, ver- folgte er die Kosaken, während der verblüffte Westland Kur- kow einlud, im Haus zu warten, bis seine Männer die junge Frau zurückbrachten.
Beckys Hoffnungen waren zerstört; Panik und pure Verzweif- lung drohten sie zu überwältigen, als sie um eine weitere Ecke bog. Was, um des Himmels willen, sollte sie jetzt tun? Wie war es diesem schrecklichen Mann nur gelungen, vor ihr bei West- land einzutreffen? Doch sie kannte die Antwort auf diese Fra- ge bereits. Michail musste direkt von Yorkshire zum St. James’s Square geritten sein, während sie gezwungen war, Umwege zu wählen, um nicht seinen Männern in die Hände zu fallen.
Sie war entschlossen, genau das auch jetzt zu vermeiden. Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, sah sie, wie die Kosaken sich wieder in zwei Gruppen aufteilten. Wie immer taten sie das, um sie auf diese Weise einzukreisen.
Sie rang nach Luft und lief weiter, suchte die Gegend angst- erfüllt nach einem Versteck ab. Aber sie entdeckte nichts wei- ter als hohe Häuser, schmale Gassen und hier und da ein paar schlanke junge Bäume.
Nichts.
Sie setzte ihre Flucht fort, ohne auf die Schmerzen zu achten, die von der vergangenen Nacht herrührten. Wenn Alec ihr das mit all seiner Sanftheit angetan hatte, dann hätte Michail, der dasselbe als Strafe gedacht hatte, sie mit blauen Flecken und Qualen für mindestens eine Woche zurückgelassen. Sie versuch- te, sich diese entsetzliche Vorstellung nicht weiter auszumalen. Was sie betraf, so konnte ihr Cousin, nichts Besseres als ein Mörder, direkt zur Hölle fahren.
Einige Rufe gaben ihr unmissverständlich zu verstehen, dass die Kosaken näher gekommen waren. Durch reine Willenskraft brachte sie es fertig, noch schneller zu laufen. Diese Kerle sind
fest entschlossen, mich zu fassen, dachte sie bei sich und unter- drückte einen erneuten Anflug von Panik. Während die Kosaken den Abstand zu ihr verringerten, bog sie in eine Gasse hinter einer Reihe von Häusern ein.
Der Weg war schmal, aber sie entdeckte ein paar kleinere Stallgebäude und Kutschhäuser, die sich als Versteck eigneten. Durch die erste offene Stalltür, die sie ausfindig machen konnte, schlüpfte sie hinein. Es war ein Pferdestall, und in einer
Weitere Kostenlose Bücher