Gaelen Foley - Knight 07
Bursche versuchte, wieder ein Gewehr auf ihn zu richten, dann würde er sich auch um den kümmern.
In diesem Moment lenkte ein beharrliches Winseln zu seinen Füßen seine Aufmerksamkeit ab. Als er nach unten blickte, sah er Rudy neben sich sitzen, seinen Lieblingsstock zwischen den Zähnen, und eifrig mit dem Schwanz wedeln.
Lächelnd nahm Jack den Stock und warf ihn in Richtung Heck.
„Hol!“, sagte er leise, aber Rudy brauchte keine solche Anwei- sung. Er rannte bereits seiner Beute nach, als wäre das Stück- chen Holz reines Gold wert.
Eine Woche hatte Eden es inzwischen schon in dem nacht- schwarzen Frachtraum ausgehalten. Sie versteckte sich in voll- kommener Dunkelheit, sehnte sich nach Licht, frischer Luft und vor allem nach menschlicher Gesellschaft.
Die Temperatur war gefallen, seit das Schiff nach Norden fuhr und das Land des Sommers und der tropischen Temperaturen hinter sich ließ, an das sie gewöhnt war. Stattdessen erreichten sie Gegenden, die sie vage an Herbstmonate in ihrer Kindheit erinnerten – kühle, sonnige Tage und kalte Nächte. Natürlich läutete dort, wohin sie fuhren, der Februar das Ende des Win- ters ein, doch sie vermutete, dass sie erst Ende März ankommen würden.
Inzwischen begann die ständige Finsternis ihrem Verstand Streiche zu spielen. Sie hatte zu viel Zeit, um sich wegen der Ratten zu sorgen, die sie in der Dunkelheit hörte und hoffte nur, dass sie nicht so mutig waren, sie zu beißen.
Vor allem aber hatte sie zu viel Zeit zum Nachdenken – über alles, was bei ihrem Abenteuer schiefgehen konnte, jetzt, da sie sich dort hineingestürzt hatte. Und sie hatte Zeit, an den mäch- tigen Kapitän dieses Schiffs zu denken.
Da dies von allen das interessanteste Thema war, verbrach- te sie endlose Stunden damit, über das nachzudenken, was ihr Vater ihr von Jack Knight erzählt hatte – doch aus irgendeinem Grund drängten sich ihr dadurch nur noch mehr Fragen auf.
Warum zum Beispiel hatte man ihm verboten, das Mädchen zu heiraten, das er liebte? Wenn er der zweite Sohn eines Dukes war, warum hatten ihre Eltern Lord Jack dann als unpassend empfunden? War das der Grund, warum er während all dieser Zeit nicht nach England zurückgekehrt war? Hatte er dort keine Familie, die ihn lockte, sie zu besuchen?
Und was hatte er an jenem Tag tatsächlich im Regenwald ge- wollt? Sie dachte an den rätselhaften Ausdruck seiner Augen, als sie ihn wegen seines Besuchs in der Rebellenstadt Angos- tura befragt hatte. Papa hatte behauptet, dass seine bloße An- wesenheit in Venezuela schon darauf hindeutete, dass Lord Jack nichts Gutes im Schilde führte. Holz sammeln? Nein. Er und seine Männer hatten etwas zu verbergen. Worin immer dieser Schurke auch verwickelt sein mochte, offensichtlich wollte er nicht, dass sie darüber Bescheid wusste.
Leider hatte Eden viel zu früh gelernt, Dinge zu hinterfragen, um die Sache nun auf sich beruhen zu lassen. Stunde um Stunde
hatte sie nichts zu tun, daher beschloss sie, sich umzusehen und vielleicht ein paar Antworten zu finden.
Sie suchte die Zündholzschachtel aus ihren Vorräten und ent- zündete ihre Kerze. Sie wusste, sie musste sparsam damit umge- hen, aber das Licht erschien ihr wie ein Segen. Mit der schwa- chen Flamme als Orientierungshilfe begab sie sich auf eine kleine Expedition.
Der große schaukelnde Speicher des Laderaums verriet ihr nichts über Jacks Geheimnisse, war aber bis obenhin gefüllt mit Vorräten. Fässer mit Wasser und Wein. Verschiedene Werkzeu- ge und zusätzliche Segel. Schwarzpulverfässer und Kanonen- kugeln. Es gab genügend Essen und Wasser, um sie während der Reise zu versorgen, doch die Luft war hier, direkt über dem Kiel, ausgesprochen übelriechend.
Sie brauchte keinen Rat von ihrem Vater, um zu wissen, dass bei so schlechter Luft ein Fieber drohte. Sie bezweifelte sogar, dass sie hier unten noch für mehr als zwei Tage Luft zum Atmen hatte. Unzufrieden erkannte sie, dass sie zur nächsten Ebene hi- naufsteigen und ein neues Versteck suchen musste.
Genau das tat sie am folgenden Nachmittag. Sie schlich hi- nauf zum Orlopdeck, wo sie sich während der nächsten Tage versteckte. Noch immer gab es für sie kein Tageslicht, denn das knarrende Orlop lag genau wie der Frachtraum unterhalb der Wasseroberfläche, doch wenigstens gab es in den engen Gän- gen Laternen und eine bessere Luftzufuhr. Durch die hölzernen Gitter vor den Luken drang vom Hauptdeck her frische Seeluft herein.
Auch im Orlopdeck
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