Gaelen Foley - Knight 07
bereit war, dass der gold- haarige Kleine das schönste Kind wäre, das sie jemals gesehen hatten. Beau war der Augapfel seines Vaters Billy ...
Eden, zu Tränen gerührt, schüttelte den Kopf und ließ das letz- te Blatt des schweren Leinenpapiers langsam auf ihren Schoß sinken.
Jeder Brief von Lady Jacinda endete mit denselben Worten: Danke für die Geschenke, die du geschickt hast, mein lieber Bruder. Bitte komm bald nach Hause. Wir freuen uns jederzeit, dich zu sehen. Deine dich liebende Schwester Jacinda.
Jacinda hatte es nicht hingeschrieben, aber offensichtlich wunderte sich die junge Frau, warum Onkel Jack nicht am Le- ben des kleinen Beau teilnehmen wollte – an ihrer aller Leben nicht.
Hätte ich eine solche Familie, dachte Eden, würde ich niemals fortgehen.
Offensichtlich empfand Jack das anders. Selbst in Jamaika genoss er den Ruf eines Einzelgängers. Wie es schien, war der zweitgeborene Bruder der Knights ebenso ein Außenseiter der menschlichen Gesellschaft wie Edens Vater. Aber warum?
Beunruhigt von dieser Frage schüttelte sie den Kopf, räum- te die Briefe weg und dann auch die Waffen, den Boxpokal und darüber den schwarzen wollenen Überrock. Aber nachdem sie diese Briefe gelesen hatte, war ihr eines klar geworden.
Wie verlockend es auch sein mochte, sie durfte nicht zulassen, dass Jack ihr mit seinen verführerischen Küssen die Sinne be- törte. Denn wenn es zu weit ging und sie ihn am Ende heiraten musste, dann – das erkannte sie jetzt – würde es damit enden, dass sie seine Einsamkeit mit ihm teilte, so wie es bei Papa ge- wesen war.
Wie ihr Vater war auch er eine zu starke Persönlichkeit, als dass sie glaubte, ihn ändern zu können. Man musste einen Mann so nehmen, wie er war.
Eden wusste, was sie wollte. Sie wollte leben. Ein ganz nor- males Leben führen. Alltägliche Dinge tun. Sie wollte Menschen um sich haben. Überfüllte Straßen, Chaos, Schmutz, Gelächter, Tratsch und Gerede. Sie hatte genug von der Einsamkeit, sie brannte darauf, in die Welt zurückzukehren.
Sie fühlte sich zu Jack hingezogen, das konnte sie zugeben. Aber sie musste sich selbst schützen. Wenn sie in eine Lage ge- riete, in der sie ihn heiraten musste und sich wieder ins Exil be- geben musste, dann hätte sie ebenso gut im Regenwald bleiben und Connor heiraten können.
Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich bei Jack sicher fühlte, während Connor sie kalt ließ.
Das kurze Knacken einer Vogelflinte und lautes Gelächter von der Reling her störte Dr. Farradays Konzentration.
Er saß im Schatten des Achterdecks auf einem Stapel aus al- ten Netzen und sah auf von seinem Buch mit Gedichten von Wordsworth, die er gelesen hatte, um sich abzulenken von den großen Sorgen um seine Tochter.
Durch seine Brillengläser blinzelte er in die Sonne und blick- te dann hinüber zum Heck, um festzustellen, dass die Männer der Besatzung wieder Fregattvögel für Zielübungen benutzten. Victor presste die Lippen aufeinander und bebte innerlich vor Zorn, aber er wagte es nicht, sie aufzuhalten.
Connor und er wechselten einen wachsamen Blick. Zum Glück hatte er seinen Assistenten bereits angewiesen, sein aufbrausen- des Temperament zurückzuhalten, sonst würde man sie beide umbringen.
Es war einfach Pech, dass sie eine Überfahrt nach England auf dem Schiff der Verdammten gebucht hatten.
Ein weiterer Fregattvogel explodierte mitten in der Luft, und Blut regnete ins Meer. Schmerzerfüllt wandte Victor sich ab. Ja,
es waren gewöhnliche Tiere, und sie waren eine Plage, aber man konnte sie nicht essen, daher gab es keinen Grund, sie zu töten.
Keinen anderen Grund, als dass ihr betrunkener Kapitän sich damit die Langeweile vertrieb.
Victor suchte nach einer anderen Möglichkeit, den Mann ab- zulenken, doch er war klug genug, nicht zu protestieren. Er war fest davon überzeugt, dass man ihn bei der ersten Beschwerde über Bord werfen würde, und dass diese Besatzung aus verlore- nen Seelen danach Wetten darüber abschließen würde, wie lan- ge es wohl dauerte, bis er ertrank.
Seufzend schloss er den Gedichtband und schüttelte den Kopf, fragte sich, ob sich die Menschheit in den zwölf Jahren seit seiner Flucht auch nur ein Jota gebessert hatte. Um seiner Tochter willen blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Lärm der Menschheit wieder entgegenzutreten, wie Wordworth es formu- liert hatte.
Und wenn dieses Schiff ein Beispiel war für die Zivilisation, dann hatte er dafür noch immer keine
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