Gala der Herzen
offensichtlich längst, sich überhaupt so weit auf sie eingelassen zu haben!
Jetzt stand sie hier … zutiefst verunsichert und gedemütigt von seiner brüsken Zurückweisung, und gleichzeitig so erregt, dass sie sich ihm am liebsten sofort wieder hemmungslos an den Hals geworfen hätte!
Scham und Selbstzweifel überfluteten Lissa wie eine heiße Woge. War tatsächlich sie es gewesen, die ihn angetörnt hatte? James wollte doch nur einen Kuss … und nachdem sie sich anfangs noch geziert hatte, bot sie sich ihm keine fünf Minuten später quasi auf einem Silbertablett an! Und er war nicht interessiert gewesen!
„Dann lass es uns einfach vergessen …“, murmelte sie rau, stieß sich von der Wand ab, öffnete die Tür zur Büroetage und ging hindurch, ohne sich umzuschauen.
James folgte ihr nicht. Tatsächlich tauchte er auch die nächsten zwanzig Minuten nicht im Büro auf. Lissa nutzte die Zeit, um sich im Waschraum ein wenig frisch zu machen.
Als James schließlich erschien, durchquerte er das Vorzimmer, ohne Lissa oder der neuen Sekretärin, die inzwischen ihren Job übernommen hatte, auch nur den kleinsten Blick zu gönnen. Mit düsterer Miene verschwand er in seinem Büro, dessen Tür er demonstrativ hinter sich schloss.
Die Ausstellungseröffnung in Sydneys bekanntester, zeitgenössischer Kunstgalerie war seit Tagen Stadtgespräch und versprach, zum Event des Jahres zu avancieren. Jeder, der etwas auf sich hielt, würde da sein. Neben Stars der Film-, Musik- und Modebranche und den erwarteten Politgrößen, sogar der Premierminister.
Lissa hatte sich bisher einzig wegen des zu erhofften Vergnügens auf die Vernissage gefreut, doch inzwischen erhoffte sie sich auch reichlich Inspiration und Anregung von der Veranstaltung. War sie wirklich so spektakulär, wie gemunkelt wurde, dann wollte sie wissen, woran es lag. Was machte eine Party erfolgreicher als die andere?
Anstatt sich zu amüsieren, wollte sie den Abend in erster Linie analysieren.
Gerade nur eine Spur zu spät erschien Lissa in der Galerie und schaute sich neugierig um. Kritisch musterte sie das reduzierte Dekor, nahm die Atmosphäre in sich auf und wandte sich dann den praktischeren Dingen zu. Wer nahm den Gästen Taschen und Garderobe ab? Wie waren Drinks und Fingerfood … wie wurden sie serviert?
So arbeitete sie sich langsam von außen nach innen, von den Rahmenbedingungen zu den Protagonisten des glamourösen Spektakels.
„Na, alles registriert und abgespeichert?“, ertönte eine spöttische, inzwischen sehr vertraute Stimme in ihrem Rücken. Betont langsam wandte Lissa sich um, bemüht, das animierte Lächeln auf ihren Lippen wenigstens etwas abzumildern. Doch das gelang ihr nur mäßig. James im Smoking zu sehen, würde immer diese Wirkung auf sie haben!
„Du hast es erfasst.“ Zum unpersönlichen Sie zurückzukehren, erschien ihr irgendwie verlogen. Und ihren Boss schien ihre Vertraulichkeit, zumindest auf privatem Terrain, nicht zu stören.
„Dann verrate mir, was du gesehen hast. Was glaubst du, von dieser Party lernen zu können?“
Spontan entschloss Lissa sich, seine Frage, ungeachtet des sarkastischen Untertons, ernst zu nehmen und dementsprechend zu beantworten. „Mir gefällt zum Beispiel, dass offensichtlich genügend Personal angestellt wurde, damit niemand auf Drinks oder Hors d’oeuvres warten muss.“
„Die vorrangigsten Bedürfnisse zu stillen, ist natürlich oberste Pflicht. Man möchte schließlich nicht, dass jemand nach mehr hungert, oder …?“, fragte er maliziös.
Lissa warf ihm einen scharfen Blick zu, doch James stoische Miene verriet nichts.
„Sich etwas Appetit zu bewahren, ist vielleicht gar nicht so verkehrt“, behauptete sie, entschlossen, auf keinen Fall einer Meinung mit ihm zu sein. „Von etwas genug zu haben oder unersättlich gewesen zu sein, hinterlässt meist einen bitteren Nachgeschmack. Besser ist es doch, sich zu wünschen, man hätte mehr gehabt oder wäre länger geblieben.“
„Aber man steht auch in Gefahr, enttäuscht zu sein, oder selbst zu enttäuschen, wenn man die Chance ausschlägt, den Appetit oder Heißhunger zu stillen.“
Abermals musterte Lissa ihn scharf und fragte sich, ob es hier überhaupt noch um die Vernissage ging. „Alles Gute geht irgendwann zu Ende“, bediente sie sich bewusst eines weiteren Klischees. „Da ist es auf jeden Fall besser, auf einem hohen Niveau zu enden, als zu übertreiben oder beim nächsten Mal lieber ganz auf den Genuss zu
Weitere Kostenlose Bücher